Schweben auf einer poetischen Klangwolke: So waren Son Lux in Winterthur – Und das denkt Ryan Lott über Musikjournalismus8 min read
Reading Time: 5 minutesAm Montag bespielten sie die Räumlichkeiten des Salzhaus Winterthur. Das US-Trio Son Lux schaute für einen Abend im Kanton Zürich vorbei und lässt das Publikum auf einer Art Klangwolke schweben. Lina Gallati war dabei und berichtet vom Konzert. Ausserdem hat Ryan Lott, Sänger der Band, Zeit gefunden, um mit Jan Rucki ein Gespräch zu führen.
Son Lux im Salzhaus Winterthur
Drei bebrillte Männer in schwarzen Shirts betraten letzten Montag die Bühne des Salzhaus Winterthur. Mit ihrem Hit Easy war das Eis dann auch schon gebrochen. Als Zuschauer liess man sich gerne in ihre Musik einlullen, um dann für eine Stunde auf einer sonischen Wolke zu schweben.
Son Lux, so heisst das Projekt vom Multiinstrumentalisten Ryan Lott aus Los Angeles. Unterstützt wird er dabei vom Schlagzeuger Ian Chang und Gitarristen Rafiq Bhatia.
Lott ist nicht nur Musiker, er ist Komponist, Poet, Produzent und vielseitiger Sänger, der je nach Laune brüllt oder flüstert. Der Sound von Son Lux lässt sich schwierig in Worte fassen, denn es sind die durchbrochenen Rhythmen und ihr experimenteller Charakter, die zunächst irritieren, um einen schliesslich zu fesseln.
Die Musik schien bei Son Lux total im Vordergrund zu stehen. So war Sänger Ryan Lott auch nicht in der Mitte der Bühne positioniert, sondern überliess diesen Platz seinem Schlagzeuger. Bei den Solis der anderen Musiker trat er bewusst zur Seite. Seine wenigen Ansagen wirkten ziemlich unbeholfen, aber ultrasympathisch. Und bald verstand man auch als Zuschauer, dass die Musik von Son Lux keine aufgeblasene Show braucht, sondern ganz für sich alleine funktioniert.
Nach dem letzten Song Lost into trying war der Fall von der Klangwolke schon ziemlich harsch – plötzlich erinnerte man sich wieder daran, dass man an der Garderobe für seinen Rucksack 5 Franken ausgegeben hatte und die Songzeilen „Awake, Awake, this is a dream state“ wirkten selten so real.
Am Schluss wollten die Jungs noch mit den Besuchern am Merch-Stand plaudern, doch zu dieser Zeit musste man als Expat leider bereits losdüsen, um den letzten Zug nach Luzern zu erwischen. Son Lux ist und war der perfekte Soundtrack für die erste kalte Herbstnacht – Und es werden noch viele folgen, also hör doch auch mal rein: Link zum Clip
Text: Lina Gallati
Ryan Lott im Gespräch mit Jan Rucki
Jan Rucki: Wie waren die Reaktionen auf dein neues Album, welches du im Februar veröffentlicht hast?
Ryan Lott: Wir sind ziemlich glücklich damit. Es scheint wie ein Album, das alte Fans mit den neuen verbindet. Eines, das beide geniessen. Aber du weisst, wenn man mitten in einer Produktion eines Albums war und es von einem selber kommt, ist es noch schwierig, dieses aus Sicht anderer Menschen zu beurteilen. Du musst einfach mit dem Gefühl und dem Klang gehen und nicht immer darüber nachdenken, was andere Menschen darüber denken könnten. Zum Zeitpunkt, wo du dein Album der ganzen Welt zur Verfügung stellst, bist du aber natürlich nervös, vor allem beim ersten Mal, da du keine andere Wahl hast als darüber nachzudenken, was die Leute davon halten werden. Doch ich muss sagen, dass ich fast etwas überrascht war, oder eher einfach überglücklich, da wir sehr spannende und herausfordernde Parts während unserer Produktion hatten und diese gut gemeistert haben. Jetzt können wir ausatmen und uns neuen Sachen widmen.
JR: In deinem neuen Album geht es viel um Leben und Tod, Liebe und Verlust. Wie kommt das?
RL: Ich schreibe Songs grundsätzlich nicht überetwas und unsere Musik geht nicht einfach um eineSache. Der Rahmen, in dem diese Songs aber entstanden sind, ist ein ziemlich schwerer für mich. Ich wurde zu diesem Zeitpunkt nämlich gerade Vater, währendem ich meinen besten Freund verlor und habe dabei zugeschaut, wie ein Leben ausgelöscht wird und ein anderes frisch entsteht. Das ist der Kontext für die Entstehung dieser Songs.
JR: Diese Geschichten beeinflussten dich also so sehr bei der Entstehung der neuen Platte.
RL: Ja, absolut. Das war die Luft, die ich einatmete.
JR: Auf deinen Album-Covers sind häufig Hände abgebildet. Was sagen sie dir? Gibt es dafür einen konzeptuellen Grund?
RL: Weisst du, da gibt es verschiedene Bedeutungen in diesem Artwork. Grundsätzlich ist es so wie die Songs: Es meint nicht einfach ein Ding, sondern ein sehr vielfältiges Gefühl. Du kannst es so interpretieren wie du willst. Ich sehe in diesem Cover eine Mischung aus Verzweiflung, einer Art Bestechung und purer Schönheit. Und ich hoffe, dass ich das mit meiner Musik auch hervorrufen kann.
JR: Und wieso kommt diese Hand immer wieder auf Covers vor?
RL: [lacht laut] Ich weiss nicht, ob ich die Antwort auf diese Frage weiss. Vielleicht kann ich zu einem anderen Zeitpunkt mehr darüber sagen.
JR: Gut, dann frage ich ein anderes Mal danach.
RL: Ja, mach das! [schmunzelt]
JR: Während meinen Vorbereitungen habe ich gelesen, dass du Musikjournalismus hasst, [Lott lacht], weil man Musik unvoreingenommen und ohne von Journalisten erfundenen Fakten hören sollte. Aber auf der anderen Seite sagtest du, dass das Lesen von Interviews mit Künstlern durchaus sehr inspirierend sein kann. Nun, da gibt es Musiker, deren Musik ich sehr mochte, doch als ich ein Interview mit ihnen sah und diese sehr unsympathisch auf mich wirkten, begann ich die Musik weniger zu mögen. Meine Frage: Würdest du nicht sagen, dass man also auch durch Interviews voreingenommen sein kann?
RL: Das ist eine berechtigte Frage! Schau, ich glaube, dass man nicht die Worte eines anderen Menschen vor meiner eigenen Musik hören sollte. Ich verstehe die wichtige Funktion des Musikjournalismus’, aber ich glaube es ist nicht todwichtig, weil in einer idealen Welt müsste das nicht existieren. Aber das sage ich, weil ich kein Journalist bin! [lacht] Für dich ist es natürlich ein Glück, dass wir in einer Welt leben, in der Musikjournalismus existiert! [beide lachen laut] Ein wirkliches Problem habe ich damit eigentlich erst, wenn es langweilig ist und sich ein Autor keine Mühe dafür gegeben hat. Weisst du, ich gebe all meine Kraft in meine Musik und es ist aber sehr einfach, mit unqualifizierten Wörtern darüber zu schreiben. Das ist eine Schande. Und ich sage das nicht, weil ich mich und meine Musik so grossartig finde, sondern weil es ein Ding ist zwischen dem Musikmachenden und den Zuhörenden ist.
JR: Also sagst du, dass es schwierig ist, Musik zu machen, aber dass es ziemlich einfach ist, schlecht darüber zu schreiben.
RL: [lacht laut] Ja, das ist ein guter Weg dies zu sagen! Good Job!
JR: Dein Sound wird oft mit Radiohead und Grizzly Bear in Verbindung gebracht. Kannst du dich mit solchen Künstlern wie diesen identifizieren?
RL: Ja und nein. Wir machen Musik, die Kontraste erforscht, denn wir experimentieren. Wir mögen es nicht, uns nach Genre zu benennen. Genau das ist ja die Falle des Journalismus’, denn es ist für ihn unabdingbar, eine Band mit anderen zu vergleichen. Warum? Weil die Leser dann automatisch wissen sollten, wie der Sound der Band klingt.
Meine kurze Antwort wäre also, ja, weil sie gute Referenzen sind und nein, weil sie miserable Referenzen sind. [lacht] Ja! Weil wenn wir nach etwas klingen, dann klingen wir auch wie das Gegenteil davon. Und das ist die unangenehme Wahrheit für dich, der darüber zu schreiben hat. Wir müssen das nicht.
JR: Etwas ganz anderes: Einige Jahre her hast du mal vorausgesagt, dass Donald Trump früher oder später zum Präsidenten gewählt wird. Würdest du dich deswegen als einen politischen Künstler bezeichnen?
RL: Ja absolut! Wenn wir etwas von diesem Moment gelernt haben ist es das, dass wir die einzelnen Teile unseres Lebens nicht aufteilen dürfen. Wir dürfen nicht sagen, dass Politik Politik ist und dass Musik Musik ist, denn diese Art zu denken ist gefährlich. Da sind wir aber heute mit diesem Monster. Mit der sozialen Krankheit namens Trumpismus. Wir sind alle politisch. Wir müssen über alles reden, aber auch dazu stehen und darüber Bescheid wissen. Egal ob politisch, religiös oder gesellschaftlich.
JR: Also hast du auch das Gefühl während des Schreiben-Prozesses davon begleitet zu werden?
RL: Ja. Und ich wünschte, dass ich das nicht müsste.
JR: Warum?
RL: Wenn du ein Kind bist, musst du nicht über solche Dinge nachdenken und du musst keine Entscheidungen treffen. Du musst dir nicht die Zukunft zurechtschneiden. Das ist eine der Schönheiten der Kindheit, nämlich dass du davon befreit bist. Und dasselbe ist es doch, Musik zu machen: Frei zu sein und nicht von anderen beeinflusst zu werden.
JR: Frei von rationalen Gedanken?
RL: Genau richtig. Das Leben wäre schön, wenn man diese Dinge in eine Ecke stellen könnte. Aber es ist eben nun mal nicht so wie diese Welt funktioniert. Und das ist auch gut so, denn das wäre gefährlich – sehr gefährlich.
JR: Ein schönes Schlusswort. Danke vielmals für deine Zeit Ryan!
RL: Danke! Das macht mich sehr glücklich.
Interview: Jan Rucki