Who’s the lucky Guy? Long Tall Jefferson und sein neues Album8 min read
Reading Time: 6 minutesSpätestens seit seinem Auftritt am diesjährigen B-Sides haben wir uns in seine Musik verliebt. Die Rede ist vom ursprünglich aus Luzern stammenden Songwriter & Storyteller Long Tall Jefferson. Vor knapp einem Monat veröffentlichte Jefferson sein neues Album Lucky Guy. Bevor er mit Lucky Guy heute (5.10.18) im Treibhaus seine Plattentaufe feiert, haben wir uns mit Long Tall Jefferson unterhalten.
Im Interview erfährst du, wie sich das Leben auf Tour anfühlt, wieso Musik eine einzigartige Kunstform ist und warum Lucky Guy eventuell etwas nach Käse riechen könnte.
MK: Am 7. September erschien dein neues Album «Lucky Guy»
Wie war der Entstehungsprozess für dieses Album?
LTJ: Es ist mein zweites Album. Mein Erstes erschien 2016 und ich hatte es selbst auf einem Kassettenrecorder mit nur 4 Spuren produziert. Jetzt war es das Ziel, bei der Produktion mehr Freiheiten und mehr Möglichkeiten zu haben. Darum fragte ich Timo Keller von Hanreti an und war bei ihm im Studio in Luzern.
Letztes Jahr hatte ich so viel gespielt, dass wir die Songs nur in Tourpausen aufnehmen konnten. Ich gab im Jahr 2017 über 100 Konzerte. Im Sommer haben wir also die ersten Sessions gemacht und bis weit in den Herbst hinein jeweils in 2-4 Tage kurzen Sessions daran gearbeitet.
MK: Du hast dein Album im «Studio Vom Dach» von Timo Keller aufgenommen. Ist das Studio wirklich auf einem Dach einquartiert?
LTJ: Ich glaube es ist in einem ehemaligen Käselager untergebracht. Manchmal riecht es dort noch ein wenig nach Käse. Obwohl, das Lager ist schon lange nicht mehr in Betrieb. Es liegt oberhalb der Bar 59, unten hat es eine Schreinerei. Im obersten Stock ist das Studio eingerichtet. Im richtigen Dachraum befindet sich ein Comicversandhaus. Ein klassischer Ort wo halt Kultur stattfindet. Dort, wo es noch günstige Lageräume und Flächen gibt und man sich irgendwie zu zehnt ein Space aufteilt, so dass jeder sein eigenes Ding machen kann.
MK: Deine Ursprünge findet man in Luzern. Hier hast du die Jazzschule absolviert. Wie wichtig war diese Zeit für deine spätere musikalische Entwicklung?
LTJ: Ich denke für mich war die Jazzschule damals der beste Grund um die ganze Zeit Musik machen zu können. Ich lernte in dieser Zeit viele Musiker*innen kennen. Einerseits durch das Musikmachen selbst, aber auch in den Gängen des Gebäudes. Es ist wie, wenn man an der Kanti war und in der grossen Pause die Zeit mit seinen Leuten verbrachte. Mit Personen die sich vielleicht fürs gleiche Interessieren hängt man halt in der Pause ab. Wenn man an eine Jazzschule kommt, ist der Pausenplatz voll mit Menschen, die sich sehr für Musik interessieren. Personen wo es spannend ist gemeinsam abzuhängen und sich auszutauschen.
MK: Also ein Ort des Austausches von Gleichgesinnten?
LTJ: Ja genau, die wirklichen spannenden Sachen geschehen halt oft auf dem Pausenplatz, nicht unbedingt im Schulzimmer. Auf dem Pausenplatz entstehen Freundschaften, die bleiben. Davon zehre ich heute noch. Zwei Mitglieder meiner frisch zusammengestellten Band lernte ich durch die Jazzschule kennen.
MK: Mit der Jazzschule hast du dich bewusst für einen Weg mit Musik im Leben entschieden. Hattest du jemals Angst, dass es für dich im harten Musikbusiness nicht funktionieren würde?
LTJ: Ich denke dieser Angst unterliegen alle Menschen, die sich selbständig machen. Also alle Menschen die an sich selbst glauben müssen, um durchzukommen. Die meisten Menschen gehen an eine Jazzschule um in erster Linie musikalisch besser zu werden. Schlussendlich werden sehr viele halt einfach Musiklehrer*innen. Ich habe während des Studiums herausgefunden, dass ich kein Musiklehrer sein möchte. Ich musste also herausfinden wo mein Platz liegt, wo ich meine künstlerische Vision aufbauen und entfalten kann. Dafür braucht es viel Raum und Zeit und man muss flexibel sein.
Wenn man in der Nine to Five Unterrichtsroutine ist, ist dies halt relativ schwierig.
Darum habe ich mich quasi für den berüchtigten «alles auf eine Karte setzen» Weg entschieden.
MK: Das Musikvideo von Stay a little longer zeigt uns eine entschleunigte, friedliche Welt an der ligurischen Küste. Du selbst spielst bis zu 100 Konzerte in einem Jahr und bist oft unterwegs. Ist es für dich ein Wunsch oder eine Sehnsucht, neben all diesen vielen Konzerten und diesem schnellen Leben eine Entschleunigung zu finden?
LTJ: Ja, ich denke schon. Das tut uns wahrscheinlich allen gut. Stay a little longer enthält ja verschiedene Ebenen. Das was der Text sagt ist nicht unbedingt das, was das Bild im Musikvideo zeigt. Das Bild zeigt den Long Tall Jefferson der unterwegs ist und auch an schöne Orte hinkommt, cooles Zeug erlebt und vielleicht trotzdem ein wenig einsam ist.
Für mich hat auch das Musikmachen etwas Entschleunigendes. Mir tut es einfach gut, auch wenn ich nur für mich alleine spiele. Auf Tour zu sein ist zwar toll aber auch sehr anstrengend. Die Stunden wo man dann wirklich auf der Bühne steht und Musik machen kann sind diese, die einem viel zurückgeben. Diese Momente machen, dass man dranbleibt und es weiterziehen will. Auch weil es einem auch eine Ruhe gibt. Aber natürlich ist es auch viel Euphorie, nicht nur Ruhe.
Das Zeitempfinden ist sensibel, wenn man Musik macht. Auch weil es eine Kunstrichtung ist, die in der Zeit passiert, es passiert alles im Jetzt. Es ist nicht wie ein Bild wo man lange daran malt und wenn es fertig ist, gibt man es weg und es wird niemals mehr verändert.
Wenn man live performt entsteht etwas immer im Moment und vergeht aber auch sofort wieder. Dahinter steckt eine grosse Faszination.
MK: Musik gibt dir also auch eine Entschleunigung, die dein Touring Leben wieder ausgleicht?
LTJ: Ja genau, man ist ja irgendwie nirgends mehr richtig zuhause und dann werden deine eigenen Songs wie zu deinem Zuhause. Bei ihnen weiss man wie sie funktionieren und man sich verhalten muss.
MK: Im Song Yonder is a Mountain singst du über eine Person, wo etwas im Leben sucht, es aber nicht findet. Eine Songzeile lautet «Good is never good enough.» Im Song Lucky Guy, geht es um eine Person, die am Neujahrsabend nicht mit seinen Freunden feiern kann und stattdessen zuhause bleiben muss. Zuerst ist er wütend, muss sich aber schlussendlich eingestehen, dass sein Leben ganz gut ist und er happy ist.
Frage: Ist die Lucky Guy Metapher die Lösung zum Yonder is a Mountain Problem?
LTJ: Wow, das ist die geilste Frage, die ich bis jetzt je bekommen habe. (überlegt lange) Ich denke man kann nicht sagen, dass das eine die Lösung zum andern ist. Es sind wie zwei Ausschläge vom gleichen Pendel. «Good is never good enough» kommt ja erst am Ende des Songs. Vorher geht es ja darum dass irgendetwas noch fehlt, aber unmittelbar im Anflug ist. Am Ende geht es darum, dass dieses Etwas vielleicht niemals gut genug sein wird.
Und hier kommt man langsam zum Lucky Guy hinüber, wo man es so sieht, dass es vielleicht wirklich nie gut genug ist. Und dass man irgendwie damit klarkommen muss und dass das auch einfach OK ist so. Darum denke ich ist Yonder is a Mountain der Motor und der ewige Sturm und Drang des Jungspunds, der in einem drin ist und der Lucky Guy ist eher der alte Grossvater in einem selbst, der sagt, es ist schon easy wie es ist.
MK: Im Song You & The Universe erzählst du vom unterwegs sein eines Musikers. Von den Zugfahrten und den Gedanken in dessen Kopf. Bald tourst du erstmals nicht mit dem ÖV sondern mit einem Auto. Können wir uns bald schon auf ON The Road Songs freuen?
LTJ: Ich weiss es nicht (Lacht). Aber es gibt eine lustige Anekdote zu «You & The Universe».
Dieser Song war in meiner Vorstellung immer in einem Auto zuhause.
Auch weil ich damals mit einem Freund mit dem Auto auf Tour war.
Lange kam ich aber mit dem Song nicht weiter, bis ich irgendwann mal verstanden habe, dass der Song im Zug spielt. Dann konnte ich ihn «wie am Schnürli» fertig schreiben. Was irgendwie absurd war, man hat ja eigentlich das Gefühl die Fantasie sei frei genug aber manchmal braucht es halt trotzdem eine klare Zuordnung, damit man weiss, worauf man sich bezieht um Sachen festlegen zu können. Es war eine spannende Erfahrung.
MK: Morgen, Freitag 5. Oktober, findet deine Plattentaufe in Treibhaus in Luzern statt.
Was für Gedanken schweben einem als Musiker vor solch einem Moment durch den Kopf?
LTJ: Bei solchen Momenten schwebt einem viel durch den Kopf. Die Plattentaufe ist für mich speziell, weil ich den ganzen Abend kuratiert habe. Ich habe meinen Freund The New Spring aus Dänemark eingeladen und er reisst extra für diese Konzerte hierher. Am Freitag legen anschliessend noch Jon Hood als Djs auf nach unserem Konzert.
Diese Leute um sich zu haben ist das eine, zum andern weiss man, dass die Familie kommt. Wenn man vor Leuten spielt, die einem nahe sind, ist es wunderschön aber man setzt sich gleichzeitig eher unter Druck. Man muss einfach versuchen, sich trotzdem ganz dem Flow der Musik hinzugeben.
*LTJ = Long Tall Jefferson
*MK = Maurice Koepfli
Du kannst heute nicht an die Albumtaufe gehen?
Hier sind einige weiteren Tourdaten von LTJ:
05. Okt – Luzern, CH @ Treibhaus
06. Okt – Zürich, CH @ Helsinki
10. Okt – Lausanne, CH @Le Bourg
11. Okt – Winterthur,CH @ Albani
13. Okt – Schötz, CH @ Gasthof St. Mauritz
25. Okt – Solothurn, CH @ Altes Spital
26. Okt – Brig, CH @ Kellertheater
27. Okt – Chur, CH @ Cuadro 22