Live-Review: Unknown Mortal Orchestra in der Roten Fabrik3 min read
Reading Time: 2 minutesMittwochabend in der Roten Fabrik. Die Schlange vor der Abendkasse kurvt sich bis an den Strassenrand, mit Vorfreude bepackte Menschen warten auf den grossen Moment: In wenigen Minuten steht das Unknown Mortal Orchestra nämlich hier in Zürich auf der Bühne.
Um 21:30 Uhr zeigt sich, dass die riesige, allgegenwärtige Vorfreude begründet war. Die vier Köpfe der Band aus Amerika und Neuseeland betraten die Stage und legten mit Synth, und Gitarre ein Bett in den Saal, das alle zu betäuben schien. Sie hielten über mehrere Minuten einen schwebenden Ton, den sie später mit Bass und Drums zum Leben erweckten. Und bereits zu diesem Zeitpunkt präsentierte die Band etwas, das ich von ihnen nicht erwartet hätte: Wie aus heiterem Himmel setzten eine verzerrte Gitarre, eine verrückt spielende Lichtershow, schnelle Drums und eine krass mitreissende Kombi aus Synthesizer mit Bläser-Set, sowie ein geradliniger Bass ein, welche sich immer wieder zeigten und sich so durch das ganze Konzert zogen.
Die Zuschauer rasteten aus. Der Front-Sänger Ruban Nielson hat bewiesen, dass er nicht nicht nur ein guter Musiker, sondern auch ein hochkarätiger und äusserst gelenkiger Performer ist. Auch die Kombi auf der Bühne war sehr überraschend. Der Herr am Synthi ist Rubans Vater und derjenige an den Drums sein Bruder. Zusammen mit dem Bassisten, einem guten Freund der dreien, funktionieren sie perfekt. Auch während des Tracks So Good At Being In Trouble, als sie alle eine Improvisation sondergleichen hinlegten. Den Start macht die Gitarre, dann folgt ein Solo einer echten Trompete, gespielt von Rubans Vater, und den Abschluss macht ein Drumsolo. Kurz vor Ende des Songs wechselt der Trompeter noch kurz auf Saxophon. Einfach weil er es kann.
Das ganze Konzert wirkte irgendwie aggressiver als die Aufnahmen im Studio. Die Gitarre ist zugeballert mit Fuzz-Effekten und auch Schlagzeug und Stimme dringen geballter in die Ohren. Die Zuschauer tanzen wie wild und Nielson scheint seine Gitarre auf ihre physischen Grenzen testen zu wollen. Trotzdem schafft es das Quartett, eine fröhliche Stimmung in den Saal zu bringen und ein breites Lächeln auf die Gesichter des Publikums zu zaubern. Ein Höhepunkt gab es kaum, denn das ganze Konzert war ein Höhepunkt an sich. Doch persönlich gefiel mir der Track American Guilt am besten, da er durch spezielle Beats, die rot-blaue Beleuchtung und einem passenden ausgebauten Teil am meisten unter die Haut ging. Es wirkt, als möchte Ruban Nielson und seine Band vom Leid in den USA erzählen, was alles schief laufe und wie hoffnungslos die Situation ist. So singt er „Even the Nazis are crying“. Trotzdem fällt er nicht in ein nicht auszuhaltendes Gejammer, sondern schaut mit einem Augenzwinkern in Richtung Publikum und lächelt. Er weiss was er will und sorgt dafür, dass es das Publikum auch tut.
Nachdem die Gruppe nach dem relativ kurzen Konzert für zwei Zugaben zurück auf die Bühne geschrien wurde und diese auch gespielt waren, hielt Nielson seine Gitarre in die Höhe und bedankte sich für den schönen Abend. Das können wir vermutlich alle nur zurückgeben. Merci à vous!
Text: Jan Rucki
Bild: Lee Hammond (keine Originalaufnahme des Konzertes in der Roten Fabrik)