Zwischen Punk und 0815-Primitivität liegt ein schmaler Grat2 min read
Reading Time: 2 minutesAm Samstagabend wurde die Bühne des Sommercasinos mit den Lumbego Surfers bereichert. Tony Thomas, Frontman der Band, ist eine absolute Legende, tourt seit über dreissig Jahren von Punkschuppen zu Punkschuppen und hat es geschafft, noch immer nicht ausgelutscht zu sein. Die drei Herren standen auf der Bühne als hätten sie metertiefe Wurzeln in den Boden von Basel geschlagen. So war es nicht weiter verwunderlich, dass sie trotz Vorband-Status nach tosendem Applaus mit vier Zugaben zurück auf die Bühne kamen. Es war unabdingbar, den Sound der Band mit den kraftvollen Chords und den ohrenerwärmenden Gitarrensolos zu schätzen und die Beine auf Knöppel vorzubereiten. Es hätte mehr ihres Rock n‘ Rolls und des Freiheitgefühls benötigt, doch die Bude war bereit.
Jack Stoiker begrüsste mit „Hey ihr Wichsers!“ aus dem Dunkel der Bühne, dann kam Scheinwerferlicht und es ging los. Die Leute tobten. Stoiker und seine zwei Knöppel-Jungs brachten das Publikum innert zehn Sekunden auf hundertachtzig.
Jedoch sind eineinhalb Stunden voller Wörter und Musik aus der untersten Schublade zu viel. So nimmt Jack Stoiker kein Blatt vors Maul, sein Geschrei über Glied, Onanieren und Wichsers zeugt von einer Primitivität, die nicht auf die Kappe der Ironie gehen kann. Die drei Jungs von Knöppel sprechen mit ihren Texten zwar vieles der gegenwärtigen Realität und Gesellschaft an, dies aber auf eine ziemlich einfallslose, mechanische und aus gewissen Perspektiven beschränkte Art. So schienen etliche monotone, schlecht gespielte Gitarrenriffs über zu lange Zeit gespielt worden zu sein. Crowdsurfing war Dauerzustand, die Leute tickten aus, doch sicherlich hauptsächlich aufgrund des Bieres.
Beinahe unangenehmer als die Performance von Knöppel selbst war die Reaktion des Publikums. Dreissig Männer um die vierzig, die ihre Hände in die Luft hoben und Onanier-Bewegungen machen, während ihnen Jack Stoiker mitteilt, dass heute onaniert werde, braucht man sich nicht anzusehen. Platziert doch die Hände einen guten Meter weiter unten. Da hat man was davon. Hier ist die Provokation der heutigen Spiesser-Gesellschaft schlichtweg zu einfach gestrickt. Schade.
Auch wenn der Abend eine Emotionsexplosion war, Schüga gerade melodiös für Abwechslung sorgte und die zwei Balladen Stoikers zumindest ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit auslösten: Liebes Sommercasino, drehe das Ganze doch beim nächsten Mal um und lass Knöppel ordentlich einheizen, während anschliessend Tony Thomas mit seinen beiden Freunden den Laden übernimmt und für den musikalisch qualitativ hochwertigen Anteil des Abends sorgt.
Text: Gregory Li & Jan Rucki
Bild: Jonathan Winkler