Selbstkritisch und am Boden geblieben: Nativ im Interview5 min read
Reading Time: 3 minutesVor seinem Konzert im Südpol am Samstagabend haben wir den Berner Rapper Nativ getroffen. Er hat mit uns über seine bisherigen Alben, sein einziges Vorbild und seine Morgenroutine gesprochen.
Dein neuestes Album ist am 22. März erschienen und trägt den Titel „Awful“. Was genau ist daran so „awful“?
Ich habe eine Rechtfertigung gebraucht, um dieses Album zu machen. Wenn ich es selbst schon „Awful“ nenne, kann mir niemand mehr sagen, dass es schlecht sei. Gleichzeitig war ich während dieser Phase auch eher ein bisschen auf der ignoranten Schiene mit viel Ausgang, Alkohol und blöden Entscheidungen. Deshalb hat sich auch mein Sound geändert, aber das gehört genauso zu mir.
Du musstest dich also auch rechtfertigen, weil du musikalisch eine andere Spur, also Trap, eingeschlagen hast und andere Themen ansprichst?
Es ist auf jeden Fall inhaltsloser als „Baobab“, mein vorheriges Album. Die Tracks sind aber auch in sehr kurzer Zeit entstanden, was man zum Teil hören kann. Nur das Texte-schreiben und das produzieren der Beats für einen einzigen Track beanspruchte etwa 20 Minuten, es war also alles ziemlich schnell gemacht.
Das Album ist in Zusammenarbeit mit dem Produzenten Questbeatz entstanden. Woher kennt ihr euch und wie ist das entstanden?
Wir kennen uns jetzt ungefähr acht Jahre. Damals wohnte er in einem besetzten Haus, wo wir uns kennenlernten und gemeinsam ein paar Studio-Sessions entstanden. Danach lief lange nichts mehr, bis ich aufhörte zu kiffen und mich dann zusammenriss, um etwas zu erschaffen. Zusammen haben wir dann mein allererstes Album „MVZ Vol. 1“ aufgenommen.
Hast du davor schon alleine Musik gemacht oder war dies das erste musikalische Projekt?
Nein, ich habe schon mit zehn oder zwölf Jahren angefangen, Musik zu machen und meine ersten Rhymes zu schreiben. Ich hätte ein Repertoire von tausenden von Liedern, aber diese zu hervorzusuchen wäre eine Blamage. Ich wollte schon immer besser werden und mir selbst Ziele setzen, die ich zu erreichen versuchte. Dies habe ich bis zu dem Punkt gemacht, an dem ich sagen konnte, dass ich bereit bin und hinter dem stehen kann, was ich herausgebe. Vor allem daraus entstand „MVZ Vol. 1“. Vorher war ich auch schon in einer Rap-Gruppe, in der ich es aber mit der Musik viel ernster nahm als ein Grossteil der Gruppe. Mein Ziel war es nicht, die Schweiz zu übernehmen, sondern professionell Musik zu machen und dabei am Boden zu bleiben. Deshalb habe ich mich von dieser Idee distanziert und alleine weiter gemacht.
Woher holst du deine Inspiration für deine Tracks? Gibt es Vorbilder aus der Schweizer Hip-Hop-Szene?
In der Schweizer Szene nicht wirklich. Nicht als Vorbild, sondern eher als väterliche Rolle sehe ich Tommy Vercetti. Durch ihn konnte ich meine ersten Konzerterfahrungen machen und er erschuf mit seinem Album „Seiltänzer“ etwas, was es so noch nicht gab in der Schweiz. Ehrlich gesagt, höre ich sonst nicht viel Schweizer Rap. Nach wie vor habe ich aber ein internationales Vorbild und zwar Kendrick Lamar, danach kommt lange niemand mehr. Was er als Künstler, musikalisch, inhaltlich, soundbildmässig und storytelling hinbringt ist das A und O der Musik.
Trifft man dich im Moment auch ausserhalb des Studios an oder bist du jeden Tag an neuen Songs dran?
Seit eineinhalb Jahren lebe ich von der Musik und gehe deshalb jeden möglichen Tag ins Studio. Sonst mach ich diese Dinge, die man halt so macht. Ich stehe jeden Morgen auf, mache zuerst einen Beat, trinke einen Kaffee und rauche eine Zigarette. Danach gehe ich in mein Lieblingscafé, trinke nochmal ungefähr fünf Kaffees und rauche zehn Zigaretten, bis sich dann noch Leute dazusetzen. Am Mittag gibt’s dann Essen und am Nachmittag gehe ich ins Studio. Natürlich muss ich auch sonst Erfahrungen machen und habe mir als Ausgleich zum Studio ein GA gegönnt. Ich fahre gerne herum in andere Städte um auch neue Dinge zu sehen und neue Leute kennenzulernen. Mir gefällt vor allem die Westschweiz und Biel, wo ich im Moment wohne. Die Stadt ist so multikulti, sie ist rau und es gibt viele Leute, die hustlen müssen, um an ihr Geld zu kommen. Auch die Zweisprachigkeit gefällt mir extrem.
Wirst du dann auch oft von Leuten auf deine Musik und dein Machen angesprochen?
Ja, schon. Manchmal find ich es etwas unangenehm, da ich ein eher introvertierter Mensch bin. Ich komme oft nicht drauf klar, dass die Leute mich mögen und mir Komplimente für das machen, was ich tue. Gleichzeitig ist es aber auch sehr schön zu sehen, dass die Leute meinen Sound fühlen und dass ich etwas bewirken kann.
Was die Zukunft betrifft, auf was können wir uns freuen und was erwartet uns?
Solo wird’s in diesem Jahr nichts mehr geben, nur eventuell ein paar Singles. Ich habe das Gefühl, ich habe im Moment schon zu viel gemacht und „Awful“ zu früh herausgegeben. Zwischen „Baobab“ und „Awful“ gibt es so einen grossen Unterschied. Die Leute können das zum Teil gar nicht wirklich fassen und sind so schockiert, dass es innerhalb so einer kurzen Zeit so einen Bruch geben kann. Im Moment entsteht aber ein „Pyscho’n’Odds“- Album, welches ich gerne pushen möchte. Abgesehen davon, werde ich schauen, welche Leute ich kennenlernen werde und was sich daraus ergibt. Halt einfach so in den Tag reinleben!
Bild: Meret Lustenberger