Sun Turns To Darkness! – Interview & Konzert mit Jozef Van Wissem im Südpol6 min read
Reading Time: 5 minutesFilmkomponist und Avantgardemusiker Jozef Van Wissem besuchte den Südpol für eines seiner düster mystischen Auftritte mit Laute und finsterem Gesang mit auch derartigen Texten: “Do you ever feel like you want to grief?”
Im Club des Südpol in Luzern, mit Sofas und mystischem Licht ausgeschmückt, betritt Jozef Van Wissem mit Laute bewaffnet die Bühne. Er beginnt mit langsamen, repetitiven Melodien, die übereinander aufgestapelt sind. Die einzelnen Layers wechseln sich ab, eines verschwindet, ein neues kommt dazu. Nur der Tiefe Unterton, der die Basis bildet, schwingt konstant mit. Die Musik birgt eine sehr meditative Qualität, der ganze Saal sitzt still und lauscht gebannt den wabernden Klängen des Künstlers.
Nachdem er eine Variation seines Stücks Our Hearts Condemn Us gespielt hat, nimmt er ein Mikrofon zu sich, bedankt sich und stimmt das nächste Stück an welches er mit einem tiefen Sprechgesang begleitet. Es sind düstere Texte wie: “Sun turns to darkness, the moonshine to blood” oder “Do you ever feel like you want to grief” Es ist barocker Post-Punk welcher Sounds die an Bauhaus erinnern mit der Stilistik Silvius Leopold Weiss’ kombiniert.
Abgeschlossen wird das Konzert durch ein fröhlicheres, verziertes Stück, welches uns ein wenig aus den Tiefen der Vorherigen zurück bringt. Es rundet das Repertoire des Musikers ab, und bringt uns die Vorstellung über sein Lebenswerk näher, Jozef Van Wissem verbeugt sich kurz, bedankt sich und verlässt die Bühne so schnell und subtil wie er sie betreten hat.
Ein sehr gelungenes Konzert, welches einen neuen Einblick in eine doch recht unbeleuchtete Etappe der europäischen Klassik birgt.
Ich habe Jozef Van Wissem im Südpol für ein Interview getroffen:
Elia Brülhart: Wann bist du erstmals auf die Idee gekommen Laute zu spielen oder darauf Musik zu komponieren?
Jozef Van Wissem: Ich besuchte klassischen Gitarrenunterricht in Maastricht als ich etwa 11 war, da hatte ich eine Lehrerin die mich Lautenstücke auf klassischer Gitarre spielen liess, das Buch aus dem ich spielte, hiess Music of Shakespeares Time, und dann ist es bei mir aber eigentlich wieder in Vergessenheit geraten, aber später war ich irgendwann gelangweilt von der klassischen Gitarre, nachdem ich in Punk- und experimentellen Bands spielte, und da erinnerte ich mich wieder an diese Stücke, und sah auch ein Inserat in „The Village Voice“ in New York, von einem Lautenlehrer, nämlich von Pat O’Brien ( Notiz: Nicht zu verwechseln mit Pat O’ Brien der Death Metal Band Cannibal Corpse ) Und er war so eine offene Person, denn ich versuchte vorher in Europa schon bei anderen Lehrern Laute zu lernen, aber das hat für mich dazumals nie funktioniert. Und Pat war ehemals Gitarrenspieler und Schüler des Reverend Gary Davis (auch bekannt als Blind Gary Davis) Für mich war ja Reverend Gary Davis der Anfang von Allem. Aber eben, Pat war offen für Improvisation und er sagte mir wenn ich damit meinen Lebensunterhalt verdienen möchte, muss ich meine eigene Stücke schreiben, was sehr komisch war weil das sonst niemand machte, aber das öffnete für mich diese Tür.
EB: Wie komponierst du? Hast du ein Ritual?
JVW: Ja ich habe ein Ritual, üblicherweise mache ich zuerst irgendetwas, danach versuche ich mich von allem abzutrennen, von allem Geschehen und beginne zu schreiben. Dann schreibe ich alles auf, also die Melodien. Ich muss also dabei sehr konzentriert sein, um einen so empfänglichen Zustand für Melodien zu erlangen. Also trenne ich mich von allem menschlichem Kontakt ab, und gehe in einen Raum. Und ich habe gerade ein weiteres Album fertigproduziert, und ich habe es für mich eingeschränkt in einen gewissen Zeitraum, etwa 2-3 Wochen und dann muss das Album fertig sein, also wenn etwas ausserhalb dieser Periode geschrieben wird, passt es nicht da rein. Und dann ist es nicht die gleiche Stimmung oder gleiche Trance oder die Intensität die dieser Zeitabschnitt für sich hatte. Also sind meine Alben für mich auch Dokumente für eine bestimmte Zeit meines Lebens.
EB: Du hattest mehrere Projekte in Kollaboration mit Jim Jarmusch, wie bist du erstmals mit ihm in Kontakt getreten? Wie habt ihr euch getroffen?
JVW: Ich habe ihn auf der Strasse getroffen, ich kannte ihn, also ich wusste wer er war, und wir liefen auf der gleichen Seite der Strasse, und wir beide sind grosswachsige Männer also schwer zu übersehen, und ich war immer ein grosser Fan seiner Projekte. Aber es war ein komischer Tag, weil ich hatte eine CD von mir dabei, und da fragte ich ihn ob er sich für Lautenspiel interessiert und da gab ich ihm die CD, und er sagte nichts darüber aber jetzt zurückblickend glaube ich dass er mich vielleicht im The Wire über mich gelesen hatte weil ich weiss dass er das gerne liest.
EB: Ich dachte einige Einflüsse aus traditioneller Volksmusik in deiner Musik zu hören, ziehst du Inspiration aus weltweiter Volksmusik?
JVW: Nein es ist nicht Volksmusik es ist klassische Musik. Traditionelle klassische Lautenstücke. Aber diese Stücke tönen natürlich wie ein Folkstück also Folkrock fast schon. Weil so wurden sie geschrieben, und das ist das tolle daran und diese Stücke inspirieren mich immens und ich spiele sie die ganze Zeit zuhause, und ich zitiere auch von den mitteralterlichen Stücken. Die grösste Inspiration ist für mich also vor allem Musik aus der Renaissance.
EB: Und Barock?
JVW: Barock ist sehr viel verzierter und kunstvoller. Die barocke Laute ist sehr schön aufgrund der Art wie sie gestimmt ist, man kann darauf schöne Ragas oder Trancestücke spielen, weil es diese Basssaiten hat, die mitschwingen, und es ist diese eher traurige Stimmung die ich gerne habe, und die Renaissancelaute ist da fröhlicher gestimmt. Aber ich mag beide Lauten ja.
EB: Und welche Komponisten gefallen dir selbst am besten oder inspirieren dich am meisten?
Aus dem Barock vorallem Silvius Leopold Weiss, und Bernhard Joachim Hagen. Aus der Renaissance gibts diese schönen chromatic fantasias, zum Beispiel von John Dowland oder Jan Pieterszoon Sweelinck, die schon fast wie improvisierte Free Jazz Stücke klingen. Und das ist doch grossartig! Wenn du das hörst und du weisst dass es um 1600 geschrieben wurde, das finde ich faszinierend, weil das ist so lange her!
EB: Eines deiner bekanntesten Stücke Our Hearts Condemn Us kommt auch im Film Only Lovers left Alive von Jarmusch vor, hast du das extra für den Film komponiert?
JVW: Nein das existierte schon vor dem Film. Ich gab ihm 8 Stücke die ich exklusiv für den Film komponierte, auf denen die Filmmusik basiert, und ich habe den Film vorher nicht gesehen, ich habe das Skript nur einmal gelesen und dann diese 8 Stücke dafür komponiert und ihm geschickt und das war dann die Basis für den Soundtrack. Aber In Our Hearts Condemn Us hat er auch noch in den Film eingespannt weil es genau auf den Rhythmus der Bilder passte.
EB: Manchmal während dem Konzert hast du die Laute gedreht und gewendet was hatte das für eine Ursache?
JZW: Ja ich spiele gerne mit der Vorstellung dass Leute sagen: „Oh wie schön“ und da bin ich aber irgendwie dagegen, also experimentiere ich gerne mit der Vorstellung der Leute wie man das Instrument halten kann oder sollte. Und jenachdem wie man sie hält tönt es auch unterschiedlich weil so ändert es dich Klangfarbe.
EB: Welches Lied hast du als letztes gehört?
JZW: Ich höre in letzter Zeit ständig einen Song von Kim Gordon mit einem Video das mir sehr gefällt.
Bild: Caroline Schnider
Text: Elia Brülhart