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Oh Julian: Faber live im ISC Bern3 min read

23. November 2019 2 min read

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Oh Julian: Faber live im ISC Bern3 min read

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Im Rahmen der innerhalb von kürzester Zeit ausverkauften Releasetour seines neuen Albums machte Julian Pollina alias Faber diesen Monat auch einen Halt in Bern. So versammelte man sich mit grosser Vorfreude auf herzzerreissende Balladen und tanzbares Gereime an einem herbstlichen Montagabend im ISC. Die winzigkleine Venue machte die Show nicht ein Stück weniger gross.

Man liebt ihn oder man hasst ihn, diesen Faber. Zynische und provokante Texte sind genau das, was ihn ausmachen – ankommen tut der Zürcher Musiker damit aber nicht überall gut. So hat auch seine neuste Platte «I fucking love my life» für Gesprächsstoff gesorgt. Es lässt sich wohl darüber streiten, ob gewisse Textstellen nicht doch etwas zu viel des Guten sind, aber mir hat er es schon lange angetan. Besonders seit seinem Auftritt am Güsche konnte ich es kaum erwarten, die neuen Lieder live zu sehen.

Tickets für die ach so exklusiven Shows der Tour gab es nur in Kombination mit der Platte und CD zu kaufen. Die wissen schon, wie man in die Charts kommt! Ein Marketingtrick, den ich sehr schnell vergeben konnte – im Nachhinein hätte ich wohl auch noch ein Shirt und XXL Poster dazugekauft, wenn es wirklich hätte sein müssen. Und intim war das Konzert nicht nur angepriesen: Man hätte auch in der hintersten Ecke der Venue noch Front Row Feeling gehabt und die Bühne war vergleichbar mit einer etwas höher geratenen Treppenstufe. Sozusagen ein Filmabend in einem mit 300 Nasen geteilten Wohnzimmer – mittendrin Faber, seine Gitarre und seine Band.

Als wäre das so nicht schon eng genug geworden, hatte der Gute auch noch «ganz spontan», so sagte er, einen Chor aufgetrieben. Spätestens als dieser anstimmte, war die Gänsehaut gewährleistet. Eine Szene, die sich einem auch nicht sehr häufig in einem Club bietet. Das Publikum liess sich mitreissen vom Film, der sich auf der Bühne abspielte und sang textsicher mit. Und das obwohl man einige Lyrics noch nicht viel länger als zwei Wochen gekannt hatte. Den Wunsch, dass das Konzert nie enden würde, schien Faber mit uns geteilt zu haben. Denn am Punkt, an dem normalerweise die Encore eingeläutet wird, kündete er eine Rauchpause an und kam nochmal für ein mindestens so langes Set zurück. Alles war dabei, von melancholischen Liebesliedern bis zu einfahrender Gesellschaftskritik, unterzeichnet von schnellen Balkanklängen und dramatischer Posaunenbegleitung. Es gab keinen Song, auf den man vergebens hoffte.

Ich habe so viel zu erzählen und gar nichts zu sagen, um es in Fabers Worten auszudrücken. Etwas sprachlos habe ich das Konzert schon verlassen. Ausserdem hatte ich einen ultimativen Bondingmoment mit der Konzertbesucherin nebenan, da wir beide bei gewissen Liedern erfolglos gegen die Tränen kämpften. Es ist fast schon makaber, wie Faber seine zum Teil einschneidenden Aussagen tanzbar macht. Und doch bringt er sie so rüber, dass man ihm die ganze Wut und Trauer, aber auch die Freude abkauft.

Wenn man sich seine Streamingzahlen und die sich rasant verkaufende 2020 Tournee anschaut, erhält man doch den Eindruck, dass noch Grosses auf Faber zukommt. Ich hoffe und wünsche ihm, dass er auf der Autobahn Richtung Kommerz nicht die Kontrolle verliert. Wir brauchen kritisch hinterfragende Künstler wie er es ist. Oh Julian, du hast meinen Segen. Merci, ich komme wieder.

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Die letzten Tickets zu seiner Promotour 2020 findet ihr hier. Es lohnt sich zuzuschlagen!

Bild: Peter Kaaden

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