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Melancholie, Amnesie und Euphorie – Saint Ghetto Festival in der Dampfzentrale in Bern4 min read

27. November 2019 3 min read

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Melancholie, Amnesie und Euphorie – Saint Ghetto Festival in der Dampfzentrale in Bern4 min read

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Der zweite Tag des Saint Ghetto Festival fand am letzten Freitag, in der Dampfzentrale in Bern statt. Eine Sängerin, zwei Bands, drei verschiedenste Konzerte.  Musikprojekte aus verschiedenen Ländern mit komplett verschiedenen Stilrichtungen. Ein sehr unterhaltsamer und interessanter Abend.

Eröffnet wird der Abend vom jungen, in Berlin lebenden Künstler Jungstötter. Begleitet von einer Band die aus P.A. Hülsenbeck, Manuel Chittka, Johannes Weber und Nicolas Fehr besteht, präsentiert Fabian Altstötter neuerdings dynamischere und härtere Lieder, mit verzerrter Gitarre und Synths. Der junge Musiker tourte bereits mit Soap&Skin im vergangenen Jahr, damals mit melancholischen Balladen am Klavier, jetzt wurde der Sound rockiger und erregter.

Danach wird das Zepter von der experimentellen Avant-Pop Sängerin Eartheater übernommen. Die junge Künsterlin verbindet 3-oktavigen Gesang mit elektronischen Hardcore Elementen und Death Metal Samples. Eine sehr interessante und originelle Mischung, welche ich zuvor noch sie so zu Ohren bekam. Sie überzeugt in ihrer Live Performance mit sehr gekonnt getroffenen gesungenen Tönen, und schnellem Fingerstyle auf akustischer Gitarre. Jedoch schade ist; dass sie sich in der gesamten Live-Präsenz doch noch ein wenig üben sollte; zum Beispiel sollte man weder mit dem Publikum noch mit dem Tontechniker zu streiten beginnen, was sie beides mit Freude und Dominanz ausübte. Auch sollte man Gesprochenes auf ein Minimum begrenzen wenn  das Konzert nur eine Spannweite von einer halben Stunde beträgt. Eartheater vergass also ihre Texte ihrer neu komponierten akustischen Songs, kommandierte den Tontechniker herum,  stritt mit dem Publikum und verbreitete somit eine  unangenehme Stimmung. Der peinlichste Moment des Abends, als der Veranstalter die Sängerin auf die Bühne zurück beorderte, sodass sie doch noch 1,2 Lieder zum Schluss spielte. Insgesamt schien die Künstlerin, die doch eigentlich so tolle und interessante Musik in ihrem Repertoire hätte, überhaupt keine Lust auf ein Konzert zu haben. Eine miserable Darbietung.

Als Abschluss betritt der britische Sänger Ghostpoet mit seiner Band die Bühne. Dem Publikum wird erneut bewusst, wie ein gutes und mitreissendes Konzert abzulaufen hat. Der Sänger verbreitet gute Stimmung mit kurzen prägnanten Sprüchen, was er auch mit; „I won’t talk too much, like some other artists“ unterstreicht.  Der Sänger tritt mit einer 4-Köpfigen Band auf,  zwei Synths, einer davon analog, eine Gitarre, ein Bass, und Drums. Besonders überzeugt die Schlagzeugerin mit einer wahnsinnigen Power, mit welcher sie uns die komplexe und variable Rhythmik um die Ohren haut. Ein fantastisches Konzert, welches einen mitreisst und begeistert. Nach dem vorherigen Stimmungstiefenflug, erhebt sich die Atmosphäre erneut und die Menge tobt, tanzt und trällert mit.

Nach dem Konzert habe ich Ghostpoet für ein kurzes spontanes Interview am Rande der Bühne getroffen:

Elia Brülhart: Welcher Musiker hatte den grössten Einfluss auf dich?

Ghostpoet: Hm, da gibt es nicht nur einen, der den grössten Einfluss hatte, ich mag einfach so viel verschiedene Musiker. Ich mag einfach Musik, schon in einem jungen Alter habe ich begonnen so viel Musik zu absorbieren. Also es könnte es Captain Beefheart, PJ Harvey, Massive Attack, Bob Dylan oder irgendjemand sein, da gäbe es noch so viele. Wenn ich ein Album erschaffe, dann versuche ich rüberzubringen was in meinem Leben oder auf der Welt in dieser Zeit abgeht. Ich kann mich also nicht für einen Musiker entscheiden ich nehme einfach alles auf.

Matteo De Mattia: Entstehen die Lyrics basiert auf deinen eigenen Erfahrungen?

GP: Meine Lyrics sind eine Reflektion der Welt in der ich lebe, die Welt in der wir alle leben, und ich schreibe über Eigenes, Persönliches, und Emotionales, das ich gerade durchmache aber hauptsächlich beinhalten meine Texte die Thematik der Verbindung der menschlichen Seele und der Emotionen und meine Musik handelt von Problemen  die wir alle bewältigen müssen, denn schon ab jungen Jahren versuchen wir herauszufinden was unser Platz auf der Welt ist, und was wir hier machen, und das versuche ich mit der Musik zu verarbeiten.

MDM: Wie erlebst du das Publikum an einem Konzert und was willst du an einem Konzert erreichen oder bewirken?

GP: Es geht mir nicht darum Leute zum tanzen zu bringen, oder dass sie richtig abzugehen zu der Musik, aber wenn das passiert dann ist das natürlich fantastisch. Ich versuche nur die Musik live so zu präsentieren, dass das Publikum sie  aufnehmen kann und sich damit verbinden kann. Ich sehe mich als einen Entertainer, ich denke es ist sehr wichtig zu unterhalten, und darum proben wir auch sehr hart und sehr viel, weil wir unterhalten wollen. Und ich will auch Songs schreiben die eine tiefere Bedeutung in sich tragen.

MDM: Hast du Musik studiert?

GP: Nein, ich habe Musik nicht studiert, aber ich bin ein „Student of Music“ und ich absorbiere und analysiere andauernd Gigs und Musik und so habe ich gelernt zu musizieren, und das mache ich jetzt seit fast zehn Jahren und ich lerne immer noch und versuche stetig zum nächsten Level zu kommen.

 

 

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