Deutschrap gegen Toxic Masculinity? Das geht?4 min read
Reading Time: 3 minutesDeutschrap – ein Genre, das nicht gerade dafür bekannt ist, feministisches Gedankengut zu verbreiten. Zwischen „Ich ficke alle Bitches“, „Mein Schwanz ist der Grösste“ und so weiter fällt es dann doch auf, wenn sich einmal etwas differenzierter mit dem Thema „Sex“ auseinandergesetzt wird.
Die Antilopen Gang – bestehend aus den Rappern Danger Dan, Koljah und Panik Panzer – haben dies in ihrer neuen Single Bang Bang eindrucksvoll gemacht. Doch warum ist ein Lied gegen toxische Maskulintät so wichtig?
Deutschrap direkt ins Ohr der Jugend
Ich, als Deutschrap-Fan habe eigentlich schon längst die Hoffnung aufgegeben, dass es irgendwann einmal Texte geben wird, die „normalen“ Sex beschreiben. Sex gehört zum Leben dazu, warum scheint es dann so unmöglich zu sein, diesen „normal“ zu beschreiben? Zu oft wurde von irgendeinem Rapper beschrieben, wie dieser irgendein Groupie „zerfickt“ und dass „die Bitches“ nach der Nacht mit besagtem Rapper „nicht mehr laufen“ könnten. Für Romantik ist im Deutschrap kein Platz. Spricht ein Rapper dann doch mal von solch furchtbaren Themen wie „Liebe“ oder „Geborgenheit“, wird dieser direkt als „Pussy“ abgestempelt. Oder auch als „Schwuchtel“.
Doch was ist die Konsequenz, wenn junge Menschen nur davon hören, wie viele Frauen ihre Lieblingsmusiker in welcher Stellung so „nehmen“? Die schönste Nebensache der Welt verkommt zur Trophäenjagd – wer hat wie viele gehabt? Wer hat „eine Fotze“ schon in den Arsch „gefickt“? Jugendlichen wird vorgelebt, dass es nur wichtig sei, möglichst viele unterschiedliche Frauen „ins Bett zu bekommen“. Oder am besten direkt im Club schon zu haben. Ziemlich ekelhaft.
Natürlich können die Meisten dieser Jugendlichen solche Phantasien niemals ausleben. Vermutlich verlieben sie sich im Laufe der Pubertät und führen eine Beziehung. Die Wochen ziehen ins Land, im Freundeskreis wird gefragt „Und hast du sie schon gefickt?“ und natürlich wird geantwortet „Klar, in jeder Stellung, drei Stunden lang“. Wie die Realität aussieht, ist natürlich klar: Beide sind jung, vermutlich etwas schüchtern und wissen nicht genau, wie das „Alles“ geht. Aus Pornos lernt man ja nicht wirklich, dass zum Sex nicht nur ein „Schwanz“ und ein „Loch“ gehört.
Ich kann da aus eigener Erfahrung berichten wie Typen in der Pubertät so sein können: Als ich circa 15 war, meinte doch ein Klassenkamerad davon, dass er seine Exfreundin eh nicht gut fand, weil sie seinen Penis nicht in den Mund nehmen wollte. Muss ich dazu sagen, was seine Lieblingsmusikrichtung war?
Was solche Liedzeilen mit jungen Frauen macht, möchte ich mir eigentlich gar nicht vorstellen. Nur als Objekt der Begierde gesehen zu werden, ist schon schlimm genug. Durch Musik vorgelebt zu werden, dass man es auch sein sollte, hilft dabei nicht.
„Bang Bang“
Und jetzt kommt die Antilopen Gang daher – kündigen vorher auf Instagram an, dass sie über Sex reden wollen und eröffnen dabei bei mir die Frage, ob ich mich wieder schämen muss, Fan dieses Genres zu sein.
Doch das Resultat überraschte mich vollkommen. In den drei Textteilen des Liedes dreht es sich genau um die Unsicherheiten von Jugendlichen, wenn es um das Thema „Sex“ geht. Wie Jungen vorgelebt wird, dass man nur „ein echter Mann“ sei, wenn man mal „gefickt“ hat.
„Doch es fickt nunmal dein Kopf wenn du noch nicht gefickt bist“ – Panik Panzer
In der Hook (dem Refrain) des Liedes singt dann Danger Dan melodisch die Aufforderung an Deutschrap:
„Bang Bang Bang Bang Bang Bang – Lass nicht weiter drüben reden, bitte – Bang Bang“
Im nachfolgenden Part geht es dann weiterhin um den Gruppenzwang „du musst Sex haben“, welcher Jugendlichen vorgelebt wird. Dass man dafür eigentlich noch gar nicht bereit ist, interessiert keinen. Danger Dan beschreibt dann eindrücklich, wie es ist, wenn man dann zu früh Sex hat. Unerfahren, nervös, den Gedanken „was mach ich hier eigentlich“ ständig im Kopf:
Bin nach 10 Sekunden gekommen, fing an nach 20 mich zu schämen
In den letzten Zeilen beschreibt der letzte im Bunde – Koljah – sein erstes Mal. Die Nervösität, das Unverständnis, den Druck, den er sich selbst aufgebaut hat und den vermutlich viele Männer kennen.
„Sie sagte ‚Entspann dich‘, ich sagte ‚Ich kann nicht‘, doch hatte es geschafft noch ganz knapp vor 20“
Somit liefert die Antilopen Gang einen Track ab, der sich genau gegen die toxische Maskulinität richtet, die seit Jahren im Deutschrap vorgelebt wird. Für mich persönlich – jetzt schon – eines der wichtigsten Lieder des Jahres.