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Beurteile ein Buch nie nach seinem Einband – Schweizer Buchgestaltungen im Rampenlicht4 min read

10. März 2020 3 min read

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Beurteile ein Buch nie nach seinem Einband – Schweizer Buchgestaltungen im Rampenlicht4 min read

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Am 27. Februar hat das Bundesamt für Kultur (BAK) im Rahmen des alljährlichen Wettbewerbs «Die schönsten Schweizer Bücher» 19 Gewinner mit der Unterstützung einer fünfköpfigen Jury ausgezeichnet. Den Jan-Tschichold-Preis erhielt dieses Jahr das Designstudio Maximage. Unabhängig davon haben fünf internationale Grafik-Designer während zwei Tagen in Leipzig «Die schönsten Bücher aus aller Welt» aus über 600 Einsendungen erkoren. 

Anlässlich des Wettbewerbs «Die schönsten Schweizer Bücher» werden jedes Jahr herausragende Buchgestaltungen und -produktionen ausgezeichnet. Die Jury bestehend aus drei Grafikdesignern, einer Grafikdesignerin und der Leiterin des Literaturhauses Zürich haben die 19 schönsten Schweizer Bücher des Jahres 2019 bestimmt. Unter den Gewinnern ist z.B. das im Schallplattenformat erschienene Fotoalbum des St. Gallers Jirí Makovec mit dem Namen From… To…. Gestaltet wurde das beim Jungle Books Verlag veröffentlichte Buch von der St. Gallischen Plattform PIN, deren Website so kompliziert wie auch einzigartig ist (hier gehts zur Website). Ein weiteres ausgezeichnetes Werk ist das des gebürtigen Zürchers Dominik Landwehr betitelt mit Edition Digital Culture. Es handelt sich dabei um insgesamt 6 Bände, in denen die Robotik, AI, VR und deren Auswirkungen auf das zukünftige Kulturschaffen thematisiert werden. Das in Zürich basierte Gestalterteam Huber/Sterzinger hat dazu das anfängliche Designkonzept geliefert und für jedes Thema einen visuellen Beitrag erbracht.

Vergabe des Jan-Tschichold-Preises

Unabhängig von der Auszeichnung der schönsten Schweizer Bücher übergibt das BAK seit 1997 den Jan-Tschichold-Preis an eine Person, eine Gruppe oder eine Institution, deren Buchgestaltung besonders hervorgestochen ist. Dieses Jahr hat Maximage die Ehre, den Preis im Wert von 25000 CHF entgegenzunehmen. Das Schweizer Designstudio mit Büroräumen in Genf, Zürich und London ist spezialisiert auf digitale Lösungen, Visual Identities, Bücher, Poster, Typefaces, Kunstwerke und Color Consultancy. Ein Workshop der Gruppe an der «École cantonale d’art de Lausanne» (ECAL) führte zur Realisierung des Projekts Color Library, das eine Palette von Farbprofilen anbietet und zum Ziel hat, den Farbdruck, so wie wir ihn kennen, zu erweitern.

Ecart und der Almanach über die Fluxus-Gruppe

Almanach Ecart. Une archive collective, 1969-2019 kommt mit einem Einband daher, dem man auf den ersten Blick nur wenig abgewinnen kann. Die biedere Farbwahl und die altbackene Schriftart haben mit Schönheit wenig am Hut. Nichtsdestotrotz hat das Buch mitsamt unspektakulärem Cover neben der Prämierung für die schönsten Schweizer Bücher auch die höchste Auszeichnung des Wettbewerbs «Die schönsten Bücher aus aller Welt» abgesahnt. Die ebenfalls fünfköpfige, aber internationale Jury, die während drei Tagen in der Nationalbibliothek Leipzig über 600 Einsendungen begutachtete, hat den Almanach als Golden Letter erkoren. Unter anderem begeisterte die Jury die Auswahl an schönen Materialien mit einem Gespür fürs Detail und dass der Almanach in ein weiteres Element des Ecart-Gesamtwerks transformiert wurde. Um die Entstehungsgeschichte des Buches besser zu verstehen, gehen wir am besten zurück in die End-sechziger Jahre nach Genf, als der Künstler John M. Armleder mit seinen Freunden Patrice Lucchini und Claude Rychner die Fluxus-Groupe Ecart gründete.

Die Künstlergruppe produzierte Filme im Super-8-Format und setzte im Allgemeinen nicht nur das künstlerische Endresultat in den Vordergrund, sondern schrieb dem Schaffungsprozess, der Produktion, der Ausstellung und dem Vertrieb genauso viel Bedeutung zu. Bis ins Jahr 1982 war Ecart in Genf aktiv. Doch einen Platz in der Art Basel ist Ecart dennoch bis heute geblieben.

Das Buch präsentiert über 400 archivierte Dokumente, ein Dutzend Essays und insgesamt 639 Illustrationen, die einen Bezug zur Groupe Ecart haben. Die Inventararbeit wurde in Zusammenarbeit mit dem Genfer Museum MAMCO gemacht. Elisabeth Jobin, Verantwortliche des «Institut de recherche en art et en design» (IRAD) und Yann Chateigné, Dozent an der «Haute école d’art et de design» (HEAD), die Armleder seinerzeit besuchte, haben die Arbeit die zum Almanach führte, angeleitet. Dan Solbach hat das Design für das Buch geliefert. Der Grafikdesigner arbeitet mit der Kunsthalle Zürich und dem Westfälischen Kunstverein und ist Art Director bei dem Berliner Starship Magazine. Auch seine Website ist sehr interessant und bietet die Möglichkeit, ein paar Einblicke in den Almanach zu erhalten (hier gehts zu seiner Website). Veröffentlicht wurde Almanach Ecart. Une archive collective, 1969-2019 vom HEAD (Genf) und vom Art&Fiction Verlag (Lausanne) im Dezember 2019.

«Die schönsten Bücher aus aller Welt» und ausgezeichnete Schweizer Kreativität

Zwei weitere Bücher, die als die schönsten Schweizer Bücher ausgezeichnet worden sind, wurden auch auf internationaler Ebene gewürdigt. Zum einen wurde das durchdachte Buch vom Canadian Centre for Architecture mit dem Grafikkonzept des Lausanners Jonathan Hares The Museum is Not Enough / Le musée ne suffit pas mit der Silbermedaille belohnt. Zum anderen wurde dem Buch Etwas Fehlt von Alex Hanimann eines der fünf Ehrendiplome vergeben. Designt hat das Buch der in Zürich basierte Vinzenz Meyner.

 

Du willst die schönsten Schweizer Bücher von Nahem betrachten?
Vom 3.-6. September 2020 werden die schönsten Schweizer Bücher 2019 im Helmhaus 
in Zürich ausgestellt, zudem findet am 3. September im gleichen Museum die Vernissage 
und Verleihung des Jan-Tschichold-Preises statt. Und am 5. September sind 
im Rahmen der Zürcher Museumsnacht Veranstaltungen zum Thema Buchgestaltung geplant.

 

Bild: © HEAD – Baptiste Coulon

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