KUNST-KARAMBOLAGE – Michael Günzburger, Das Ende der Spur5 min read
Reading Time: 3 minutesKUNST-KARAMBOLAGE sind freie, subjektive Texte zu ausgewählten Ausstellungen geschrieben von Aline, Anica und Florian. Diesmal über die Ausstellung von Michael Günzburger im Hans Erni Museum.
Offizieller Ausschnitt des Hans Erni Ausstellungstext
Der Zürcher Künstler Michael Günzburger (* 1974) zeigt in seiner Einzelausstellung im Hans Erni Museum erstmals den kompletten Werkzyklus seiner Tierabdrucke.
–
„no zoo life its real life“ so sagt er
schreibe deinen Namen in den Staub
was war, war
ich treffe mich nur
an schattigen Orten
an einem entfernten Ort, wo die Kojoten heulen
ein unbekannter Mann lebt in der Nähe
mit meiner Mutter Mirjana an meiner Seite
Ich stehe in einem Raum der blau gestrichen wurde, vor Bilder eingepackt in Karton, so als wären sie so wie
sie archiviert sind auch ausgestellt worden. Er sucht nach Objekten, er sucht nicht nach Mitleid sondern nach
der Realität. Feine Flecken und Linien lassen mich an die Bewegung der Tiere erinnern. Umgefallene Tiere
mit dunklen Schnauzen. Platziertes Zebrapferd, verhungerter Eisbär. Es ist der Versuch die Spuren von Tieren
festzuhalten. Spuren verschwinden, Spuren spüren und schwinden. Hier räumt immer wer auf. Der Ort
der Spur bleibt, die Spur bleibt niemals. Mein Körper wird beim Betrachten der Spuren zu einer Spur dieser
Ausstellung. Spuren bringen mich um. Die Idee Spuren zu sammeln verändert alles. Das Konzept wird
wichtig für mich. Sie erinnern mich an Kathrin. Sammeln im Wald. Drucken mit Farbe auf Papier. Das
Material wird zur Spur des Künstlers.
Haar und Fell
Fell auf Fell
Fell auf Gedärmen
zwei meter lang- hundert kilogram schwer- zwei jahre alt (Eisbär)
feine Zeichnungen und Zeichen eines Künstlers. ART IS SCIENCE
– Anica
/
Da sind Haare
Da ist Haut
Da ist die synthetische Nachahmung von Haar und Haut
Kristallene Struktur, kleine feine Einzelheiten, Striche
Sorgfälltig
Säuberlich
Liebevoll
Widmet sich Günzberger der brutalen Realität
Die Striche werden zur Form
Die Form zum Tod
Tiere; verhungert, erschossen, vor der Metzgerei, am Fundort
Gedruckt –ohne die Distanz eines abbildenden Mediums–
Schwarz auf weiss
Polarlandschaft
Unsere Zeit macht sie immer mehr schwarz, immer weniger weiss
Der Druck als letzte Spur
Die sich nicht mehr im Schnee verläuft
Mächtige Tiere, schöne Tiere, Bären und Bieber und Kälber und Eisbären
hier sind sie nicht zur Trophäe geworden, hier werden sie zu Warnschildern
Hin zum eigenen Fussabdruck
– Aline
/
Selbst gelegte Tierspuren lesen. Der Mensch sammelt Tiere, schaut sie an und zeigt sie. Ich sah Tierdrucke, Tier-Fragmente, Tierisches Material und Mischwesen in der Günzburger Ausstellung im Hans Erni Museum. Vielleicht zeigen die Spuren Berührungen zwischen Mensch und totem, präpariertem Tier. Eine Beziehung in der wir und der Künstler Betrachter*in sind vom leblosen Gegenüber. Die Zeugnisse dieser Beziehung sind in Schaukästen und Vitrinen ausgestellt. Andere sind an den Wänden ausgebreitet oder in leichten Kartonrahmungen auf weissem Papier isoliert gezeigt. Die Spuren drängen sich dem Besucher auf. Sie stehen zur Schau. Das Tier ist statisch, es ist Ausstellungstier. Sein Abdruckt glitzert als Aluminiumpigment fein im elektronischen Licht.
Die Drucke haben ihren Charakter in der Unregelmässigkeit. Ein Gegenüber von Fleisch mit Poren und Adern zu Fell das einzelne wie verklebte ineinander hängende Haarlinien zeigt. Dunkle Flecken und Leerstellen, körperliche An- und Abwesenheit. Manche Strukturen fransen aus oder sie scheinen zu erlöschen. Da beginnen sich die Bilder dem Blick zu entziehen und ich gerate doch ins Spuren suchen an der Spuren-Ausstellung. Es wird spannend wenn sich Formen wie Wülste zeigen und auf die dreidimensionalität des Zusammengepressten verweisen. Manchmal tauchen unerwartete Flecken auf mitten im Fell als hinge da etwas Fremdes am Tier dran. Einmal wächst ein Bild über seinen Rand hinaus und verändert das Abgebildete zu etwas Abstraktem. Das Werk „Fell“ zeigt unzählige kleine Striche, die zusammenkommen und im Detail etwas wie eine Landkarte bilden. Es ergeben sich Nacken-Gebirge oder Schulter-Wirbel. Dichte und lichte Wälder. Manchmal überlagern sich die Striche als würden sie sich gegenseitig verneinen, in verschiedene Richtungen weisen. Die Haare werden zu Gesten aber das Bild bleibt ruhig.
Zuletzt betrachte ich eine Glaswand an der Champagnierkreide klebt. Hier finden sich Spuren die im Museumsraum selbst gelegt wurden und machen den Ort der Ausstellung dadurch interessanter. Es zeigen sich Körperfragmente, Gelenke, Krallen, fleischige Flecken plattgedrückt an der transparenten Fläche. Sie sind gelöst von einem Ganzen und wirken in ihrer Konstruktion wie zu entschlüsselnde Zeichen, Hieroglyphen an der Museumswand.
Auf dem Nachhauseweg frage ich mich was für eine Beziehung ich zu Tieren haben will. Auf der Museums Website finde ich eine Anleitung wie man den Abdruck von einem toten Eisbären nimmt.
– Florian
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Haben wir euer Interesse geweckt? Dann bietet das Hans Erni Museum ein interessantes Rahmenprogramm dazu:
Donnerstag, 15.10.2020 18.00 bis 20.30 Uhr
Winddrachenkonzert – Florian Dombois und Fabian Gutscher
Vortrag von Lukas Bärfuss in der Reihe «Panta rhei»
Im Anschluss Signierstunde mit Lukas Bärfuss und Michael Günzburger.
Sonntag, 08.11.2020 16.00 bis 18 Uhr
Der Anfang des Abbaus der Ausstellung mit Musik von Li Tavor
Das Ende der Ausstellung von Michael Günzburger wollen wir gemeinsam begehen, denn das abhängen einer Ausstellung geht schnell und ist voller Melancholie. Die Zürcher Architektin, Komponistin und Musikerin Li Tavor macht Musik für die letzten Momente der Ausstellung während die Abbauarbeiten schon beginnen.
Foto von Michael Günzburger: Wolf, 2014, Lithographie auf Papier, 95 x 140 cm, © Michael Günzburger