frachtwerk Kopfkino – Ein persönliches Speed-Date8 min read
Reading Time: 6 minutesEr ist packend und man kann ihn immer wieder schauen. Er wird nie langweilig – denn er ist unser Lieblingsfilm. Ein Speed-Date mit der frachtwerk-Redaktion.
Der Lieblingsfilm – für die einen eine schwierig zu beantwortende Frage und für Andere die Logischste. So oder so ist es schwierig, überhaupt einen Lieblingsfilm zu definieren. Von Filmklassikern bis hin zu zeitgenössischen Produktionen, die Auswahl ist so gross. Deshalb ist es spannend, weshalb genau ein gewisser Film für einen persönlich aus der Menge sticht. Und diese ganz persönliche Frage habe ich offen dem frachtwerk-Team gestellt. Geniesst nun das virtuelle Speed-Date mit unseren Leiter*innen über den einzig wahren Lieblingsfilm.
Lina, Ressortleiterin Theater
A fish called Wanda (1988)
Zugegeben, A fish called Wanda von Charles Crichton ist vielleicht nicht der schönste, anspruchsvollste oder berührendste Film, der mir je vor den Augen vorbeigeflimmert ist. Aber so ist das halt mit Lieblingsfilmen, wie sie ihren Platz verdient haben, ist eine Sphäre fern von jeglicher Logik. A fish called Wanda handelt von einen Juwelenraub, aber eigentlich mehr von den vielen schrulligen Gestalten, die darin verwickelt sind. Schwarzer Humor ist durch das Drehbuch von Monty Python Mitglied John Cleese Programm. Und natürlich beinhaltet der Film die lustigste Filmfigur aller Zeiten: Der verrückte Otto, der Nietzsche liest, aber eigentlich eher einen Psychotherapeuten konsultieren sollte.
Also rennt er lieber mit Pistolen hinter Leuten her, bei denen er sich eigentlich entschuldigen will und wird unfassbar wütend, wenn ihn jemand auf seine grösste Schwäche anspricht: seine Dummheit. Als ihn seine Freundin Wanda damit konfrontiert, verteidigt er sich: «Apes don’t read philosophy.». Wandas Antwort? «Yes they do, Otto. They just don’t understand it.». Kein Wunder geht das Gerücht um, jemand sei während A fish called Wanda an einem Lachanfall gestorben. Das ist eine Liebeserklärung an einen Film, der es sogar geschafft hat, mir nach der Weisheitszahn-OP ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Der Schmerz war es definitiv wert!
Daria, Ressortleiterin Gesellschaft
Moonrise Kingdom – Wes Anderson
Ein Liebling unter den Wes Anderson Filmen auszuwählen ist eher schwierig. Doch da Moonrise Kingdom einer der ersten Filme war, die ich von ihm gesehen hatte und mich in die theatralische Welt Andersons eintauchen liessen, wird es wohl der sein. Ein Wes Anderson Film kann auf den ersten Blick erkannt werden – Von der Kameraführung bis zu den Farbkompositionen lässt sich der eigene Stil erkennen. In den Aufnahmen findet sich eine absolute Symmetrie und viel Liebe zum Detail. Die leuchtenden Farben lassen die Bilder in einem eigenartigen Licht erscheinen und durch die Weitwinklige Kameraeinstellung werden die Räume zum Leben erweckt. Die Charaktere sind kurlig, im einen oder anderen Moment gibt es eine*n Erzähler*in, welche die Geschehnisse dokumentiert und nicht selten wird alles ein wenig auf den Kopf gestellt. All dies Zusammen lassen Welten entstehen, in denen man sich verlieren kann. So auch in Moonrise Kingdom, in dem sich die 12-Jährigen Sam und Suzy ineinander verlieben, davonlaufen und schliesslich von der ganzen (fiktiven) Insel New Penzance gesucht werden. Weiter erzähle ich nicht, denn dazu lohnt es sich zu fest, sich den Film selber anzusehen!
Moonrise Kingdom gibt’s auf Netflix zu sehen.
Jan, Redaktionsleiter Musik
Die Frage nach dem besten Film ist für einen Film-Banausen wie mich sehr schwierig zu beantworten. Es gäbe da so einiges aus vergangenen Jahren, das mich geflasht hat. Bin ich einfach leicht zu begeistern? Mag sein. Anlässlich schwieriger Zeiten habe ich mich für meinen Lieblingsfilm für etwas Leichtes, kunstvolles entschieden: Das brandneue Testament. Ein Film aus Belgien, der mit Witz und verwunschener Kameraführung während anderthalb Stunden durch eine magische und dennoch real zu scheinende Welt führt. Kurz gesagt: Es geht um Gott – und der ist ein richtiges Arschloch. So sieht das auch seine Tochter, die sehr stark unter ihm leidet. Gott ist ein Piesaker höchsten Grades, ein ekliger Alkoholiker, der mit jedem Glas Schnaps zu einem sexistisch handelnden Einzelgänger wird. Seiner Tochter gefällt das überhaupt nicht und so zieht sie alleine durch die weite Welt, um mit neuen Aposteln ein brandneues Testament zu schreiben.
Neve, Ressortleiterin Kunst
Mon oncle – Jacques Tati
Ich habe keinen Lieblingsfilm. Aber ein Film, welcher ich seit meiner Kindheit kenne und liebe, ist «Mon Oncle» aus den frühen 60er-Jahren, vom französischen Filmemacher Jacques Tati. Die Komödie ist mit unglaublicher Leichtigkeit gedreht und versteht es den Witz ohne viele Wörter zu erzählen. Die erste Einstellung des Filmes beginnt schon mit einer Gegenüberstellung: Baustellen, laute, unangenehme Geräusche des Presslufthammers. Neue Gebäude werden gebaut. Dann eine sanfte Überblendung zu einem einfacheren Pariser Stadtviertel, dem Wohnort des Protagonisten Monsieur Hulot (gespielt von Tati selbst).
Durch den Film lernt man eine Familie, die Personifizierung dieses neuen, klinischen Lebensstils, kennen. Passend zu den Neubauten. Alles in dem Viertel ist automatisiert, Gärten und Häuser perfekt und abstrakt eingeteilt, alles an seinem Platz. Die Mutter, Hulots Schwester, kommt aus einer der Villen heraus. Sie ist gerade damit beschäftigt ist, wie eigentlich durch den gesamten Film hindurch, das Haus und alles Mögliche zu putzen. Ein Putz- und Ordnungsfimmel. Der Mann Charles kommt hervor, der kleine Sohn Gérard muss in die Schule gebracht werden. Hulot und Gérard haben eine enge Beziehung zueinander, Hulot bringt den Kleinen aus dieser langweilig getakteten Szenerie raus in sein einfacheres Stadtviertel.
Eine Gegenüberstellung von zwei Vierteln wird aufgezeigt. Sie kratzen sich. Nicht nur im Aussehen, auch die Menschen bewegen sich anders. Während das Modernere zwar mit neuer Infrastruktur und gewissem Prestige ausgestattet ist, ist das einfachere Stadtviertel viel lebendiger und wärmer.
Satirisch, ironisch, verspielt und visuell ansprechend. Tati ist ein Regisseur, der ein Kind geblieben ist.
Linda, Ressortleiterin Pauserümli
Dunkirk – Christopher Nolan
Basierend auf den historischen Ereignissen an der französischen Küste bei Dunkerque, handelt es in Dunkirk um die Evakuierung von 340’000 Soldaten im Frühjahr von 1940. Gefangen zwischen deutschen Truppen und dem Meer portraitiert Nolan die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, welche die jungen Soldaten damals verspürt haben müssen.
Der Film enthält wenig Dialog, die intensive Filmmusik hingegen spielt eine wesentliche Rolle. Man erlebt die Geschehnisse aus drei verschiedenen Perspektiven – Land, Wasser, Luft – welche auf verschiedene Zeitspannen – eine Woche, ein Tag, eine Stunde – aufgeteilt sind. Schaut man den Film ein zweites, drittes, oder siebtes Mal erkennt man immer mehr und mehr wie die Perspektiven ineinander verlaufen und schlussendlich zusammenkommen.
Nolan probierte nicht aus einem Ereignis, welches damals aus kriegsführender Sicht eher negativ aufgefasst wurde, eine Heldengeschichte zu machen. Er schaffte es, diesen Moment der britischen Geschichte unverhüllt, authentisch und ehrlich auf die Leinwand zu bringen und hinterlässt somit bei jedem Zuschauenden einen bleibenden Eindruck.
Flavia, Ressortleiterin Gesellschaftsressort
La petite mort – Annie Gisler
Was diese Dokumentation zu meinem Lieblingsfilm macht? Es ist die Kombination von Kunst und selbstbewussten, authentischen Frauen, welche die Geschichte des weiblichen Orgasmus auf ästhetische, humorvolle und lockere Art und Weise erzählen. Die weibliche Masturbation ist nach wie vor ein Tabuthema. Da kommt der 2018 erschienene Film der Baslerin Annie Gisler gerade recht. Ich selber hatte den Film das erste Mal am Zurich Film Festival gesehen mit anschliessendem Gespräch mit der Regisseurin und Q&A-Runde. Noch selten hatte mich ein Film so stark angeregt nachzudenken. Nachzudenken über die weibliche Lust und die Scham, welche damit verbunden ist. Die Sprengkraft, welche dieser Film hat, sollte von ganz vielen Menschen anerkannt werden und sein Veränderungspotential im Aufklärungsunterricht an Schulen genutzt werden.
La petite mort ist auf vimeo zu finden.
Maurice, Leiter Kulturredaktion
Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber wenn ich nach meinem Lieblingsfilm/Serie gefragt werde, rattern mir in Lichtgeschwindigkeit tausende einzelne Filmszenen durch den Kopf. Es ist wie ein Abspann auf Speed. Der Film endet dann meistens mit dem Bild eines Mannes, der in Unterhosen und einer Knarre in der rechten Hand am Strassenrand in der Wüste auf die Polizei wartet. Oh Walter White! Wie habe ich es genossen auf dem Rücksitz unseres Wagens im Jahr 2012, irgendwo auf dem Highway zwischen Boston und Chicago, deine Geschichte zu verfolgen.
Dennoch stelle ich mir unweigerlich die Frage: Wieso? Wieso habe ich so viel Zeit damit verbracht in einen Bildschirm zu starren und was haben die tausenden Stunden auf Netflix, Sky und HBO zu meinem CV beigetragen? Um die nächste Existenzkrise zu umgehen und die Frage dennoch zu beantworten greife ich auf einem Zitat des oben erwähnten glatzköpfigen Egozentrikers zurück.
«I did it for me. I liked it. I was good at it.»
Rebecca, Ressortleiterin Festival
Die Grossartigkeit von «Frances Ha» beginnt bereits bei der Farbigkeit – oder wohl besser gesagt, bei der Farblosigkeit des Bildstreifens. Ganz in Grau kommt er daher. Die beiden Co-Regisseure Greta Gerwig und Noah Baumbachs erzählen eine Liebesgeschichte der seltenen Art. Die Protagonistin Frances, durch Greta Gerwig selbst besetzt, findet etwas von weitaus grösserer Bedeutung als die grosse Liebe. Frances ist eine junge Frau in ihren Endzwanziger, deren Leben öfters aus den Fugen gerät. Sie lebt in New York City und findet durch eine Odyssee des Scheiterns zu sich selbst. Auch Adam Drivers als Nebencharakter bereichert die Geschichte. Besonders gut gefällt mir die «Mumblecore» Ästhetik des Streifens. Bei «Mumbelcore» handelt es sich um ein Subgenre des amerikanischen Independent Films. Er zeichnet sich durch kleine Produktionsbudgets, improvisierte Dialoge und Laienschauspieler*innen aus. Diese Eigenheiten lassen «Frances Ha» besonders pur und nah wirken.
Julie, Ressortleiterin Film
Der schon genannte Regisseur Wes Anderson gewinnt das Herz vieler Filmliebhaber*innen und kann wohl für ein eigenes Genre stehen. Mit den markanten Kameraperspektiven, den skurrilen Figuren und den verwirrenden Storylines. Einer meiner Lieblingsfilme von Anderson ist «The Grand Budapest Hotel». Die visuellen Details dieses Filmes, die vielschichtige Storyline und die skurrilen Episoden der verschiedenen Charakteren machen diesen Film so irrwitzig. Bonbonbunte Bilder und eine fantastische Geschichte – er ist die Sahne auf der grossen Filmtorte.
Bild: pexels.com