Irgendwas stimmt – aber es ist nicht perfekt4 min read
Reading Time: 3 minutesNach nunmehr 30 Jahren als Teil der deutschen Hiphop-Kultur veröffentlicht René El Khazraje, den meisten auch besser bekannt als MC Rene, die LP «Irgendwas Stimmt».
Ein Gastartikel von Silvio Fischer.
Seit 1991 sind satte 30 Jahre vergangen. Dies ist eine lange Zeit und dass darin viel passiert und sich noch viel mehr verändert, versteht sich von selbst. Es spricht aber nichts dagegen, dass man Dinge einfach lässt, die damals schon gut waren; sie sind es auch heute noch. So vereinen sich auf dem vollgepackten Longplayer insgesamt 19 Songs, die unser Ohr mit Beats und Klängen aus den 90ern erfüllen. Für die meisten davon sowie die Produktion des Albums zeichnet sich Figub Brazlevic verantwortlich, mit welchem Rene bereits für den letzten Release anno 2016 zusammenarbeitete. Dazu gesellen sich Beats aus der Feder von KOE the Flavekid, Radsch, Jay Spaten, Jules Hierro, 7apes und the intern.
30 Jahre Hiphop
Nicht von der Hand zu weisen ist dabei der Einfluss der Golden Era: die Beats sind klassisch schlicht und simpel gestrickt, halten dabei den gängigen Kopfnicktakt ein, der dem Oldschool so unverkennbar ist. Klassisch auch, weil keine gesungenen Refrains dieses Bild trüben. Die Reimparts reihen sich nahtlos an Scratchloops und eingängige, gerappte Refrains. Als einzige Kritik lässt sich hier das Fehlen eines richtigen Bretts anführen, der aus dem insgesamt harmonischen Klangteppich heraussticht.
Den wohl grössten Einfluss hat der Wu Tang Clan ausgeübt. Neben Textanspielungen sind auch direkte Samples erkennbar. Bestes Beispiel dafür ist der Song «X-Kalibur», zugleich auch das Highlight des Albums. Auf Renes Version von «C.R.E.A.M» brettert Terra Pete den Refrain auf das Sample und Die P liefert einen genialen Featurepart ab, der länger hängen bleibt als manche anderer ganze Alben.
Neben einem weiteren Wu Tang («STREAM») huldigen weitere Tracks wie «Libero» oder «Ich kehre heim» der guten alten Zeit und bringen Nostalgie zurück. Und dies, ohne zu einer Zeit altbacken oder gar weinerlich zu klingen. Ein weiterer Beweis dafür, das gute Musik einfach zeitlos ist. Und: Wem die Kombo Pete Rock und CL Smooth gefiel, wird hier nicht drumherum kommen.
30 Jahre MC Rene
Textlich gewährt Rene dem Hörer tiefe Einblicke, sowohl in sein Schaffen wie auch in seine Zeit der schwierigen Phasen. Der Einstieg «Ich kehre heim» spiegelt sogleich Renes Reise wie auch die Rückkehr zu den Wurzeln wider. Generell ist die kritische Betrachtung und Reflexion eines der Hauptmotive in den Texten. Zu erwähnen sind da «Edelwesen» und «Abfindungssache».
Natürlich hat es auch den einen oder anderen Punchtrack drin. Doch bleibt der Battle-Rap im Hintergrund, dafür tragen die Texte eine persönliche Note, sind universell gerichtet und sollen zum Nachdenken anregen. Und zwar über die Frage, was Glück ist oder besser gesagt, was glücklich macht und wie «Wollender Wille» trotz «Anomalie» einem dazu verhilft.
Dabei setzt Rene den Fokus nicht auf die Technique und versucht, besonders ausgeklügelte Reimketten vom Stapel zu lassen. Er setzt das Augenmerk auf den Inhalt und diesen mit dem ihm eigenen Flow zu transportieren. Die leicht monotone Stimmlage, welche einigen nicht gefallen mag, verstärkt nur, dass man sich mehr auf die Worte konzentriert.
Ein schönes Detail sind die Sprachreferenzen, die Rene direkt in die Texte einfliessen liess und so persönliche Hommagen und Reminder an seine eigenen Einflüsse einbaut. Gerade Fans, die seit den Anfängen dabei sind, werden an dem Eigenrecycling einzelner Lines Freude haben. Die Integrierung eines alten Freestyle Parts auf «1993» mit dem heutigen Rene sowie ein Text mit über 25 Jahren auf dem Buckel («Text von ‘94», mit gelungenem Flo Mega-Beitrag) sind gelungene Spagate.
30 Jahre Leben
Das Intro und Outro, «ohne Frage» und «Blaue Noten lügen nicht», lassen den Altmeister Torch zu Worte kommen. Damit schliesst sich nicht nur auf das Album bezogen ein Kreis, sondern auch in Renes Leben. Nach all den Jahren der Schwierigkeiten (mehr dazu in seinem Buch «Alles auf eine Karte») und Zeiten, in denen Hip Hop nicht im Vordergrund stand, blieb dieser sein Wegbegleiter. Nun hat Rene zu sich selbst gefunden und kehrt heim.
Für heutige Verhältnisse hat das Album zu viele Songs und so verkommt der ein oder andere zum Lückenfüller. Gerade da sich der Stil und die Motive konsequent durch das ganze Album ziehen, wäre es vielleicht besser gewesen, um 2-3 Titel zu kürzen. Doch dies ist, neben dem fehlenden Brecher, tatsächlich der einzige Kritikpunkt meinerseits.
Ich habe mich beim Hören ertappt, wie ich die Augen schloss und ein ums andere Mal 20 Jahre zurückgeschleudert wurde. Und um ehrlich zu sein, so muss sich für mich Hip Hop anhören. Und wenn das neue Main Concept nur halb so gut wird wie Renes Album, kriegen wir nach langer Zeit wieder zwei richtig gute, echte Rap-Alben.
Das Album ist das Ergebnis eines persönlichen wie musikalischen Reifeprozesses, der uns beweist, dass irgendwas stimmt!
Text: Silvio Fischer
Bild: Nordstadtblogger