Café Hanoi – die ferne Suche nach dem eigenen Glück7 min read
Reading Time: 5 minutesfrachtwerk hat regionalen Lesestoff erhalten: Fernando Boners Coming-of-Age-Story Café Hanoi. Der Romandebütant schrieb den grössten Teil des Manuskripts während seiner Studienzeit in Luzern. Dann verschwand es längere Zeit in seiner Schublade. Als er nach drei Jahren beim österreichischen Verlag am Rande landen konnte, lässt er uns nun in das Leben einer jungen, etwa 20-jährigen Frau eintauchen. Zusammen mit ihr begebe ich mich in den fernen Osten, wo sie ihr Glück und ihren Lebenssinn sucht.
In seinem Erstlingswerk landen die Leser:innen zuerst in Salenz, einer fiktiven Stadt im Kanton Graubünden. Amy arbeitet als Rezeptionistin, fühlt sich in dieser abgeschiedenen Dorfblase aber alles andere als wohl. Den Mut, daraus auszubrechen, findet sie erst durch die Begegnung mit der selbstbewussten, toughen Yasmin. Durch sie legt Amy ihre Ängste ab und reist mit ihr nach Vietnam, wo sie ihre Leidenschaft für das Kochen entdeckt und entfaltet.
Erfrischend anders
Auffällig ist die Gliederung des Romans. Im ersten Teil erlebt der Leser das Geschehen aus Amys Sicht. Ähnlich einem Tagebuch werden Momente, Gefühle und Gedanken aus ihrem Leben erzählt. Die Form ist bewusst gewählt und viele Kapitel sind kurz gehalten. Indem viele dieser Schnappschüsse aus dem Leben gegriffen wirken, soll der Effekt des Zufalls verstärkt werden. Boner verriet uns dazu, dass er die Geschichte frisch von der Leber weg niederschrieb, um sich selber grösstmögliche Freiheiten zu lassen.
In der zweiten Buchhälfte wechselt die Erzählsicht und wir erhalten Einblick in die Gedanken der anderen Protagonisten. Allen voran Yasmin, welche mittlerweile zu einer der engsten Menschen in Amys Leben wurde. Dieser Wechsel gibt der Geschichte einen schönen Nebeneffekt: man kann tiefer in die Freundschaft der beiden eintauchen und ist gespannt, wie sich ihr Verhältnis über die Zeit entwickelt. Zudem erfährt man, dass ihre Begegnung kein Zufall war.
Doch genau hier liegt der Hund begraben. So schön die einzelnen Mosaiksteinchen aus Amys Leben ein buntes Patchwork ergeben, bremsen sie den Aufbau der Geschichte ziemlich ab. Relevante Details gehen in der Summe der vielen Zufälle und willkürlichen Begegnungen unter und werden teils ungenügend in den Konsens eingebaut. Dass sich viele Zufälle schlussendlich nicht als solche entpuppen, ergibt dem Ganzen den Geschmack einer zu starken Konstruktion.
Amys erstaunlicher Wandel
Mit dem Wechsel zu Yasmin nimmt die Geschichte Fahrt auf. Während Amys Beiträge beinahe in blümerantem und poetischem Ausdruck ertrinken, wirken Yasmins Impressionen authentisch. Diese persönliche Note zeigt sich auch im Schreibstil und die Leserschaft kann sich mehr damit identifizieren. Zugleich gibt es der Hauptfigur, Amy, eine tiefere Dimension ihres Wesens und ihre Entwicklung kann besser mitgefühlt werden.
Dank dieses Perspektivenwechsels ab Buchmitte, in dem kompakt gehaltenen Werk mit 240 Seiten, erhält die Geschichte die nötige Abwechslung. Es ist ein mutiger Ansatz, einen Entwicklungsroman dieser Art, mit sehr blumigen Bildern und philosophischen Gedanken, zu realisieren.
Ungeduldige und entscheidungsschnelle Leseratten werden vielleicht geneigt sein, ihre Pfoten nach kurzem Beschnuppern davon zu lassen und sich neues Lesefutter suchen. Für die Geduldigen unter uns wartet dafür eine kurzweilige Geschichte, erfrischend anders geschrieben, aus der sicherlich der eine oder andere Gedanke hängenbleibt.
Daniel und meine Wenigkeit erhielten noch die Gelegenheit, persönlich mit Fernando über sein Buch zu sprechen. Wir sprachen mit dem Neu-Schriftsteller bei uns am Seetalplatz.
Lieber Fernando! Schön bist du da. Danke für das Einsenden deines Buchs und das Interesse an unserem Magazin.
frachtwerk: Aber gleich vorab, der Name ist ein Pseudonym, oder?
Fernando Boner: Ja, das ist richtig. Eigentlich heisse ich anders. Hatte aber Lust, für das Buch den Namen zu ändern. War mir aber nicht bewusst, was der Nachname auf Englisch auch bedeuten kann. Ich behalte ihn trotzdem. Vor allem wenn ich Verlage anschreibe und dann eine Absage bekomme, nehme ich es weniger persönlich.
frachtwerk: Wie kamst du denn auf den Namen? Hat ja schon was von einem 70er-Jahre-Pornodarsteller.
Fernando Boner: Ich wollte eine Mischung aus etwas Exotischem und etwas Bodenständigem. Der Name kam einfach aus dem Stegreif! Aber die Sache mit den Nachnamen ist halt dann doch schon irgendwie witzig. (Alle Lachen)
frachtwerk: Welchen Verlagen hast du dein Manuskript geschickt?
Fernando Boner: 2017 hab ich angefangen zu schreiben, einfach aus Lust und Spass. Nach drei Monaten war ich bei 2/3 des Buchs. Beim Zügeln fiel mir dann mein Buch wieder in die Hände und ich dachte in einer Ferienwoche, komm, schreib doch mal spontan ein paar Verlage an. Aus Deutschland kam Interesse, aber der österreichische Verlag war dem ganzen Werk dann doch zugewandter. Als Neuautor ist es schwierig diese Tage. Aber mit meiner bildhaften Schreibweise konnte ich dann in Österreich ankommen.
frachtwerk: Aber dann war es ja doch einfacher als gedacht, einen Verlag in diesen Zeiten zu finden?
Fernando Boner: Na ja, mir war schon bewusst, an die grossen Verlage muss ich mich nicht wenden. Das wäre mit dem eigenwilligen Sprachstil, den ich gewählt habe, wohl nichts geworden. Bevor ich eigentlich direkt die Verlage angeschrieben habe, wandte ich mich an vier Literaturagenten, von denen sich die Hälfte bei mir gemeldet hat. Da war der Inhalt voll okay, aber die Seitenzahl war zu kurz. Was sich aber im Endergebnis dann doch verbessert und vor allem verlängert hat. Natürlich war ich mit den anfänglichen 100 Seiten und noch keinem konkreten Ende auch in der Bringschuld.
frachtwerk: Aber deine 240 Seiten waren dann okay? Und wie schnell bzw. lange durftest du dir Zeit für den Schluss nehmen, nachdem dein Manuskript angenommen wurde?
Fernando Boner: Diese 240 Seiten waren bzw. sind eigentlich noch etwas zu kurz und den Schluss schrieb ich dann in gut drei Wochen. Ich hab einfach mit einer gewissen Prise Naivität, aber auch ohne Stress gesucht und dann eben auch gefunden. Voila!
frachtwerk: Stark! Da gibt es ja dann doch einige andere, die sich damit schwerer taten. Aber schön lief es bei dir so fix. Das Buch ist teilweise oder komplett in Luzern verfasst worden?
Fernando Boner: Dreiviertel davon sind in Luzern geschrieben worden und der Rest in meiner zweiten Heimat am Zürichsee.
frachtwerk: Abschliessend zum Thema Verlag noch eine Frage. Gibt es Auflagen wie Lesereisen etc., die du einhalten musst?
Fernando Boner: Ich habe lediglich eine Pflichtlesung, die ich machen muss, laut Vertrag. Die würde ich auch am liebsten in Luzern im Freien machen.
frachtwerk: Du lebtest damals in Luzern, weil…
Fernando Boner: …ich hier mein Studium an der PH abgeschlossen habe.
frachtwerk: Du hast neben dem Studium auch schon unterrichtet oder wo warst du schon überall tätig?
Fernando Boner: Nein, ich konnte glücklicherweise Artikel für einige Zeitungen, unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, schreiben.
frachtwerk: Wir bleiben noch kurz in Luzern. Gibt es für dich hier einen speziellen Lieblingsplatz oder hast du uns gar eine schöne Anekdote, die du mit unseren Lesern teilen möchtest?
Fernando Boner: So aus dem Stegreif habe ich keine Anekdote. Ich finde Luzern einfach insgesamt megaschön. Insbesondere die Altstadt.
frachtwerk: Beschreibe dein Buch in drei Sätzen.
Fernando Boner: Eine junge Frau, die unglücklich ist. Eine wichtige Begegnung mit einer Freundin. Ein neuer Start in Vietnam.
frachtwerk: Welche Zielgruppe soll das Buch erreichen? Wir hatten ja beim Cover und der blumigen Schreibweise an ein eher jüngeres Publikum gedacht.
Fernando Boner: Es soll in erster Linie schon Frauen ansprechen, so ab 35. Die können aber genauso 20 als auch 40 oder 50 sein. An ein jüngeres Publikum habe ich ehrlich gesagt nicht so ganz gedacht.
frachtwerk: Hast du ein Lieblingswort?
Fernando Boner: Ich? Ein Lieblingswort (lächelt). Also, ich sage oft gell. Ich glaub, das ist irgendwie mein Lieblingswort, gell?
frachtwerk: Vielen Dank für deine Zeit und schön, nimmst du “Die Erste Seite” mit uns auf. Viel Erfolg bei dem Buch.
Fernando Boner: Merci vielmals. Danke auch euch für eure Zyt.
Bild: Silvio Fischer