Zwischen Hype und Plastikhai – Haiyti live im Mokka Thun3 min read
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Aus in die Länge gezogene Promophasen macht sich Haiyti wenig, fast monatlich überrascht sie uns wieder mit einem neuen Track. Wir sind gespannt darauf, ihr riesiges Repertoire an neuer Musik nach dem Coronaunterbruch endlich live zu sehen.
Das Mokka in Thun ist eine gemütliche Venue mit riesigem Aussenbereich, jedoch sehr beschränktem Platz vor der Bühne; es ist eng, ganz knapp noch nicht unangenehm. Auch wenn ich das Deko-Konzept mit den hängenden Plastikhaifischen und weihnachtlichem Lamettaschmuck nicht ganz durchschaut habe, so trägt es dennoch positiv zur Atmosphäre bei. Support Act gibt es keinen, aber eingewärmt wird zielgruppengerecht mit Haftbefehl und Yung Hurn.
So schnell sie gekommen ist…
Ohne grosse Ankündigung steht Haiyti dann auf einmal auf der Bühne und taucht den Raum in Bass und Autotune. Zum Glück war die Dezibelhöhe bereits vor dem Konzert ungesund hoch, so hatte man genügend Aufwärmzeit. Es ist spannend, die Rapperin in Person zu erleben; Energie bringt sie reichlich mit, springt über die winzigkleine Bühne und das Publikum mit ihr. Von «Sunny Driveby» über «Toulouse» bis zum brandneuen «Hyperspeed» führt sie uns einmal über den gesamten Zeitstrahl.
Möglicherweise bin ich zu wenig an Hip-Hop-Konzerten und deshalb nicht zu 100% sensibilisiert, der DJ und sein Hypeman-Getue gehen mir aber dieses Mal besonders auf die Nerven. Das sich wiederholendes «Thun, alle!» wirkt eher störend als anspornend. Dennoch kann man ihm nicht vorwerfen, keine gute Arbeit zu leisen. Haiyti verpasst immer wieder den Einsatz, was seine schnelle Reaktion fordert. Auch die kurz geratene Interaktion mit dem Publikum gleicht er wieder aus – die beiden ergänzen sich gut. Generell scheint die Künstlerin nicht ganz bei der Sache zu sein, aber der Inhalt ihrer Musik lässt unschwer darauf schliessen, weshalb.
…verlässt sie auch wieder die Bühne
Ich bin etwas im Zwiespalt. Einerseits hätte ich mehr erwartet, anderseits glaube ich nicht, dass eine musikalische Glanzleistung der Anspruch eines Haiyti-Konzerts ist. Was man ihr ganz klar zustehen muss: Ist sie einmal im Lied angekommen, flowt es nur so aus ihr heraus. Die Zuschauerschaft zeigt Zuspruch, sei es in Form von lautem Beifall, textsicherem Mitrappen oder ohrenbetäubendem Gekreische, als sie nach dem Konzert vom Fenster in den Garten winkt. Eine gute Zeit haben wir im Mokka auch ohne hundertprozentige Rhythmussicherheit.
Zusammengefasst: Live etwas holprig, das Publikum lässt sich aber nicht davon stören. Auf dem Heimweg im Zug höre ich, wie von Haiyti angeordnet, den um Mitternacht neu erschienenen Song «Sterben». Wie erwartet: Banger. Wenn die nächsten Shows in der Schweiz angesagt werden, bin ich wohl die erste, die sich um ein Ticket ringen wird.
Titelbild: William Minke