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Wissen, das Wissenslust sät5 min read

24. Februar 2022 4 min read

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Wissen, das Wissenslust sät5 min read

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Im zweiten Teil der literarischen Jahreszusammenfassung widmen wir uns den letztjährigen Sachbüchern. Da haben wir ein buntes Potpourri zusammen. Es geht sowohl um Drogen, wie auch um böse Grosskonzerne. Um die afrikanische Bevölkerung in Europa und um einen Weltreisenden, der bald auch in Luzern gastiert.

Beginnen wollen wir mit dem recht harschen aber berechtigten Amazon-Report in «Ausgeliefert – Amerika im Griff von Amazon» von Alec MacGillis. Der englische Journalist Johny Pitts nimmt uns mit auf eine etwas andere Europareise in «Afropäisch». Diese ergründet die afrikanischen Wurzeln innerhalb Europas von Berlin über Moskau bis nach Lissabon. Weiter im Reigen beschäftigten wir uns auch mit dem Thema Drogen und ihren (Neben-)Wirkungen im interessanten Ratgeber und Aufklärungsbuch von Böckem & Jungaberle namens «High sein». Drunter und drüber geht es dann in der letzten Besprechung: Nick Martin und seine «Geilste Lücke im Lebenslauf» zeigen die schönen und hässlichen Seiten eines Weltreisenden.

Eine Nation als Opfer von einem Konzern

Zum Anfang schauen wir in die Vereinigten Staaten Amerikas. Der Heimat des Kapitalismus. Dies verdeutlicht das Werk über die Machenschaften Jeff Bezos und seinem Amazon-Imperium recht deutlich. Der Journalist und Autor MacGillis ergründet die aktuellen Missstände des Grosskonzerns. Es wird sehr schnell deutlich – wenn man auch nur ein bisschen Informationen über das Unternehmen besitzt – dass wir hier die neue Variante der Sklaverei erleben. Immer wieder kehren wir zu regulären Lieferboten und deren Stories zurück, was definitiv dem Fass den Boden ausschlägt.

Unglaublich, welche Maschinerie Bezos da heranzüchtet und wie skrupellos dieses Unternehmen vorangeht. Hier eine objektive Meinung zum Buch zu verfassen ist schier unmöglich, da es einen permanent aufregt, was doch alles möglich ist und wie verzweifelt tausende Amerikaner:innen (und Europäer:innen übrigens auch) sind, die für Amazon arbeiten. Ein kleiner Appell, den auch der Autor hat: Bitte hört auf dort einzukaufen! Euer Gewissen wird es euch danken.

Woher stammt der Begriff «Afropäisch»?

Nach dem schrecklich ernüchternden Werk schauen wir doch direkt nach Europa und dieses aus afropäischer Sicht. In «Afropäisch» reisen wir nämlich von Sheffield aus mit Johny Pitts quer durch den Kontinent und begegnen den unterschiedlichsten Mitbewohnern der Metropolen des Kontinents. Wir lernen die gelebte afropäische Kultur und den Alltag jener Bürger:innen im postkolonialen Europa durch dieses Werk besser kennen. Die Erkundungen des 35-jährigen Autoren, Fotografen und Moderatoren sind sehr vielschichtig und mit Liebe zum Detail und zur historischen Korrektheit verbunden. Er konnte mit dem Werk diverse Preise erzielen und schafft es in eloquenter, aber niemals klugscheisserischerweise komplexere Tatvorgänge zu beschreiben.

Folgen kann man ihm immer, dies sei aber auch sicher der guten Übersetzung Helmut Dierlamms geschuldet, der einen tollen Job gemacht hat. Der Begriff «afropäisch» wurde übrigens in den frühen neunziger Jahren von David Byrne, dem ehemaligen Frontmann der Band Talking Heads und der Frontfrau Marie Daulne (Zap Mama) geprägt. Vor allem im Bereich Mode und Musik wurde er bekannt und bekommt mit diesem Werk sicher die tiefere Bedeutung und Definition die er verdient hat.

Welche Drogen dürfen es sein? 

Kommen wir aber nun zu einem wirklich spannenden, mit Fakten und Zahlen gespickten Sachbuch, das mit dem catchigen Titel «High sein» erstmal Aufmerksamkeit erhascht. In diesem Handbuch machen sich Jörg Böckem und Henrik Jungaberle gemeinsam mit Immanuel Jork und Julia Kluttig auf die Spurensuche im richtigen Umgang mit allem an Rauschmitteln, was der Handel so hergibt. Böckem, der als freier Journalist und in der Suchtprävention tätig ist, weiss nach acht Jahren Heroinabhängigkeit wovon er redet und gibt zahl- und lehrreiche Tipps. Henrik Jungaberle wiederum liefert die wissenschaftlichen Fakten, die er in Langzeitstudien in Heidelberg erforscht hat.

Das Buch ist im wesentlichen ein starkes Nachschlagewerk über die Folgen im richtigen oder eben im falschen Umgang mit jeglichen Substanzen. Skizziert werden sowohl chemische Verläufe im Körper als auch deren Auswirkungen auf Geist und Seele. Nichts wird verharmlost, aber auch nichts wird verteufelt. Immer wieder finden wir eindrucksvolle Tabellen mit Zahlen, die teils sehr erschreckend sind, aber eben real. Das Thema geht alle etwas an, da wir alle direkt oder indirekt tagtäglich davon betroffen sind. Neben der Veröffentlichung des Buches geben die beiden Verfasser auch regelmässig Kurse und besuchen Schulen, um dort Aufklärungsarbeit zu machen. Genau an letzteres musste ich immer wieder denken, da dies wirklich ab der Sekundarstufe in jedem Klassenzimmer als Ratgeber und eben als Aufklärungsbuch zugänglich sein sollte. Also liebe Lehrpersonen da draussen: Tut euren Schülern was Gutes und fordert dieses Buch an.

Einmal One-Way und kein zurück!?

Im letzten Teil unserer Zusammenfassung treffen wir auf Nick Martin der mit «Die geilste Lücke in meinem Lebenslauf» ein mittlerweile fast schon kultiges Reisebuch verfasst hat. Nick beschloss nach seiner Ausbildung als IT-Systemkaufmann mit einem One-Way Ticket abzuhauen. Der Würzburger, der eigentlich gar nicht plante so lange zu verreisen, machte wie der Titel eben schon sagt, die geilste Lücke in seinem Lebenslauf und erlebte sechs bewegende Jahre. Wissenswertes zu ihm und seinem Buch erfahrt ihr demnächst in einem Interview hier auf frachtwerk. Vorab sei aber schon gesagt, dass sein im Malik Verlag erschienene Buch definitiv in keiner Reisebibliothek fehlen darf.

Diese Bücher passen zu…

…Pausenräumen- und höfen.

…allen die diverse Blicke über den Tellerrand haben möchten.

…kaltem Kaffee mit einem Schnitz Mango.

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