Love around the Globe – eine Reportage3 min read
Reading Time: 3 minutesEine Reise, ein Buch, ein Film. Ein Raum mit Protagonist:innen* von überall auf der Welt.
Am Anfang war die Liebe. Wie sie um eine Hand angehalten wurde, begann eine ganze Reise um die Welt, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Liebe phänomenologisch als globale, interkulturelle Tatsache zu begreifen. Hier die Liebe, wie sie in Beziehungen gelebt und erlebt wird – oder eben auch nicht. Wie Liebesbeziehungen – und die Ehe als Klimax ihrer –, durch Kultur, Tradition, Wertvorstellungen geprägt werden. «Love around the Globe» skizziert eine globale Collage der Partner:innen*schaft. Wobei der Begriff Liebe hier irreführend sein kann, denn nicht immer werden Beziehungen durch Liebe initiiert, umso schöner, wenn sie dann doch stattfindet.
Die Galerie «FhochDrei» in Berin Kreuzberg hatte sich in einen kleineren Weltenraum verwandelt. Von den Wänden hängen die Liebenden, blicken uns Besuchende direkt durchs Objektiv rückwärts entgegen. Augen, Haltung, Raum erzählen wortlos visuelle erste Geschichten. Auf den meisten Portraits sind mindestens zwei Menschen zu sehen. Nur zwei Gesichter bleiben allein, zwei Frauen*.
Erstere ist vor einer Zwangsheirat geflüchtet und lebt heute in einem Frauenschutzdorf, die andere hat sich selbst geheiratet.
Neben Bild gibt es ergänzend Textliches, Auszüge aus den geführten Interviews. Auf den vier Wänden der „Fhochdrei“ Galerie werden fünf Kontinente, 30 Länder und 130 Stimmern erlebbar. Gesichter in ihrer Intimität abgelichtet, dahinter nicht nur Liebesgeschichten, sondern Lebensgeschichten. Manchmal scheinen mir die Rahmen zu klein, als dass dieser Schicksale gerecht werden könne. Onlinedating mit Happyend-Hochzeitsantrag in Paris steht neben Zwangsheirat und relativierter Häuslicher Gewalt, neben Polygamen Beziehungen im Amazonas in einem Dorf, welches unter Seuchen leidet, die von westlichen „Besuchern“ mitgeschleppt wurden, neben…
Die Ausstellung ist in einem heute beliebten Format, der Reportage, gestaltet. Es scheint mir, dass es immer mehr solche Sammelausstellungen gibt. Sammelausstellungen in diesem Sinne, dass sie von mehreren Protagonist:innen* gestaltet werden. Diesem Trachten liegt wohl das Bedürfnis, der Wunsch nach einem weitgefächerten Austausch zugrunde. Einen sogenannter Polylog entstehen zu lassen, der einen Querschnitt der gelebten Liebe von Heute aufzeigt. Darin finden wir ebenso einen solchen Querschnitt durch Kulturen.
Allzu oft, allzu sehr sind wir im verwöhnten „Westen“ versucht zu vergessen, für abgeschlossen zu befinden, was leider längst noch nicht so weit ist. Gewaltgeladene Machtverhälnisse, Zwangsheirat im Kindesalter sind Realität!
Auf der Bilderreise begegnen wir matriarchal-, sowie auch patriarchal geprägten Strukturen. Kulturen, in denen dem Mann einen absoluten Status zukommt, der mit der Frau macht, was er eben will. Die Frau lebt, um ihm mit Leib und Seele zu dienen, zu knechten. In spezifischem Kulturkreis wird mit der Heirat dem Mann offenkundig das Recht zugeschrieben seine Frau zu schlagen. Doch Gewalt geht auch ohne Erlaubnis. Und dazu müssen wir nicht einmal in ferne Länder reisen. Eine Statistik des Bundeskriminalamtes DE beschreibt einen Anstieg an Gewalt gegen Frauen innert Partner:innen*schaften im Jahr 2020 um 4.9% verglichen mit dem Vorjahr.
Doch wo ist nun die Liebe geblieben? Was ist es im Wesentlichen, was Mensch und Mensch zusammenbringt und hält? Die Reise wollte dies Phänomen der Liebe begreifbar machen und fand dabei Kulturen und Sprachregionen, die das Wort nicht einmal kennen. Das muss man sich mal vorstellen, die tägliche Wirklichkeit, ohne den Begriff der Liebe? Wie würde unser menschlicher Zwischenraum aussehen? Was heisst bei uns Liebe, woher kommt sie?
Mit dem Gang durch die Ausstellung wächst in mir die Frage, was es denn im Wesentlichen ist, was Menschen beieinander sein lässt. Dies aus einer privilegierten westlichen Perspektive heraus gefragt, wo die Freiheit der Schliessung einer Beziehung gegeben ist.
„Liebe macht blind“, gut so, denke ich mir. Sonst würden wir womöglich nur noch Alleiniges Dasein leben.
Text: Nava Ilfur
Go check out Davor Rostuhars Arbeiten. Er hat auch ein wunderbares Buch begleitend zur Ausstellung publiziert.