«Ich mag kleinere Settings, weil ich so das Publikum besser spüre» – Im Gespräch mit Ina Valeska am B-Sides 2022B-Sides, Festival, InaValeska, DJ, KollektivTöchter
Reading Time: 5 minutesWir lassen uns bei der Treppe neben der Sonnenbergbahn-Station nieder. Gäste des B-Sides Festivals 2022 spazieren lachend an uns vorbei, die Mücken verlieren sich in einem irren Tanz und die schweren Bässe der Konzerte lassen die Bäume erzittern. Gelassen schlüpft die Musikerin Ina Valeska aus ihren Birkenstock Sandalen und zündet sich eine Zigi an. Es kann losgehen.
Treibende Beats dringen bis tief ins Herz hinein. Der immer schneller werdende Rhythmus zieht das Publikum wie in Trance mit. Seelenruhig und fokussiert steht die junge Bernerin Ina Valeska hinter dem Mischpult. Durch ihre Hände fliesst der Techno in den Dubstep, bis hin zum Dub. Dabei scheint sich die Künstlerin ganz auf die Energie der Bässe und der lebendigen Rhythmen zu konzentrieren.
Während die einen ganz vorne mittanzen und sich vollkommen dem Puls der Musik hingeben, sitzen andere am Rand des Zeltes im Gras und schauen sich in Gedanken versunken die Sterne an. Rosa und blaue Lichter werden von den Gesichtern hinaus in die Nacht reflektiert.
So ließ Ina Valeska den letzten Abend des diesjährigen B-Sides Festival ausklingen. frachtwerk traf sich mit Ina vor ihrem Auftritt, um ein paar Dinge über sie in Erfahrung zu bringen.
Im Gespräch mit Ina Valeska
frachtwerk: Wie hast du deine Leidenschaft fürs DJing entdeckt?
Ina Valeska: Ich habe mal in einer Gross-WG gewohnt, in der sich viele Leute mit dem Auflegen von Musik auskannten. Ich war auch ständig in Clubs unterwegs und hatte so dauernd Kontakt zur elektronischen Musik. Irgendwann durfte ich in der WG auflegen und hatte dabei einen Riesenspass. Ich fing an, für mich zu spielen und Sounds auszuprobieren. Ein halbes Jahr später hat sich in Bern ein Kollektiv namens «Kollektiv Töchter» gegründet. Es handelt sich dabei um ein achtköpfiges Frauen-Kollektiv, das sich der elektronischen Musik widmet.
frachtwerk: Inwiefern hat dich die Teilnahme am Kollektiv geprägt?
Ina Valeska: Das Kollektiv hat bei mir vieles ins Rollen gebracht. Anfangs war vor allem die Musik im Vordergrund. Später ging es dann auch um andere Sachen wie Vernetzung und Austausch. Ich habe mich sofort aufgehoben gefühlt und den Mut gefunden, einfach zu machen. So bin ich dann mit der Zeit auch zu den Bookings gekommen.
frachtwerk: Warst du schon mal am B-Sides Festival?
Ina Valeska: Ich bin zum ersten Mal hier. Ich kenne das Festival auch noch nicht so lange. Eine Freundin von Bekannten hilft bei der Organisation mit. Durch sie konnte ich ein bisschen hinter die Kulissen sehen – was ich sehr toll fand!
frachtwerk: Was braucht der ideale Auftrittsort, wo du dich als Künstlerin voll und ganz entfalten kannst?
Ina Valeska: Mir ist wichtig, dass ich aus gesellschaftlicher und politischer Ebene hinter dem Ort stehen kann. Entscheidend ist auch, dass die Menschen offen sind gegenüber der Musik und neuem Sound, auch wenn es vielleicht mal etwas Abstraktes ist. Wichtig ist mir ausserdem das Bewusstsein des Publikums und die Art, wie es miteinander umgeht. Manchmal ist man sich zu wenig bewusst, was für einen grossen Einfluss dies hat.
frachtwerk: Lieber der kleine Keller oder die grosse Bühne?
Ina Valeska: Das kommt meistens ganz auf die Stimmung und aufs Umfeld an. Doch ich fühle mich recht wohl in kleineren Settings, weil ich dann das Gefühl habe, näher an den Leuten zu sein. So spüre ich das Publikum besser und die ganze Atmosphäre ist intimer. Ich glaube, beim Auflegen ist diese Intimität entscheidend. Sie erlaubt mir, besser auf die «crowd» einzugehen.
frachtwerk: Wie bereitest du deine Sets vor?
Ina Valeska: Wenn ich einen Ort bereits kenne, ist es für mich entsprechend einfacher einen groben Ordner mit Sound zu kreieren, der meinem Gefühl nach passen könnte. Aber alles andere ist dann dem Moment überlassen. Das macht für mich die Kunst des Auflegens aus. Die Tatsache, dass man einen Vibe mitgestalten kann, indem man auf die Menschen eingeht und sie spürt.
frachtwerk: Viel Platz für Spontanität also.
Ina Valeska: Wenn ich in Klubs spiele, definitiv. Da habe ich keinen geplanten Aufbau, sondern bin viel freier. Ich schaue mich immer um – wie fühlt sich der Raum an, welche Signale senden mir die Leute? Braucht es etwas Ruhiges oder etwas Schnelles? Sind die Menschen offen für experimentelles oder braucht es was Zugängliches?
Aber das ist nicht immer so. Wenn ich im Radio spiele, kann es schon vorkommen, dass meine Sets durchstrukturiert sind, da ich dort kein Publikum vor mir habe, auf das ich eingehen kann.
frachtwerk: Produzierst du die Musik, die du auflegst, selbst?
Ina Valeska: Bis jetzt noch nicht. Ich hätte schon Lust, das mal anzugehen, aber ich habe momentan grade ein bisschen ein Kapazitätsproblem. (lacht) Es ist definitiv etwas, was mich reizen würde. Ich müsste mir richtig Zeit nehmen, um mich da voll und ganz hingeben zu können. Und auch um komplett in die Welt eintauchen zu können, die sich mir da auftun würde. Ich fokussiere mich momentan aufs Auflegen, deshalb liegt das zeitlich nicht drin.
frachtwerk: Was legst du am liebsten auf?
Ina Valeska: Unterschiedlich. Meine Radiosendungen sind oft Ambient lastig und experimentell, mit viel UK-Bass Einflüssen. Im Club lege ich vor allem UK-Bass, Dubstep, Drum’n’Bass und UK-Techno auf. Manchmal habe ich aber auch Lust, mega «straighte» Techno-Sets zu spielen.
frachtwerk: Wie ist es als Frau in einer so männerdominierten Szene zu arbeiten?
Ina Valeska: Eigentlich sehr gut. Als ich anfing, hatte ich sehr hohe Ansprüche an mich und das Gefühl, mich beweisen zu müssen. Ich beobachte das bei vielen jungen Frauen. Mittlerweile hat sich dieses Gefühl aber gelegt, weil ich in dem, was ich mache, sicher geworden bin. Ich lebe zudem glücklicherweise in einer Bubble, die sehr «aware» ist.
frachtwerk: Dein Highlight des heutigen Abends?
Ina Valeska: Ich freue mich auf Till von Trillion Tapeman, der vor mir spielt. Er ist ein Freund von mir. Es gibt aber auch andere Namen, die ich spannend finde. Eartheater beispielsweise. Ich habe sie vor einem halben Jahr in der Dampfzentrale in Bern gesehen und war begeistert. Auch Flowdan, der jetzt gerade spielt. Er produziert Musik, die ich ab und zu auflege. Von den Bands, die in den letzten Tagen gespielt haben, finde ich Kush K echt geil.
Wir spazieren zurück zum Gelände und verabschieden uns. Vor der Hauptbühne hat sich mittlerweile ein Moshpit gebildet. Das epische Set von The Bug, Dis Fig, Flowdan und Logan, neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu. Erschöpft und teils völlig durchnässt, saugt das Publikum die letzten wummernden Bässe auf, bevor es zur B-Stage weitergeht. Das japanische Duo WaqWaq Kingdom steht dort schon bereit. Die beiden liefern eine energetische und äusserst tanzbare Show ab. Die Leute sind begeistert. Parallel zu der Gruppe, legt Till von Trillion Tapeman beim Boho-Zelt auf. Nach ihm übernimmt Ina Valeska die Stage. Endless Bazaar legt auf dem Hauptplatz auf. Reggaeton Klänge vermischen sich mit Inas Techno. Es ist spät – die Nacht ist jung!