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K.I.Z in Zürich: Die drei Kannibalen in Zivil brachten die Halle 622 zum Beben7 min read

14. September 2022 5 min read

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K.I.Z in Zürich: Die drei Kannibalen in Zivil brachten die Halle 622 zum Beben7 min read

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Am vergangenen Mittwoch spielte die Berliner Hip-Hop Gruppe K.I.Z ihre Zusatzshow auf der Tour mit dem Album «Rap über Hass» in der Halle 622 in Zürich. Die Band besteht aus den Rappern Nico, Tarek und Maxim. Ihr Schweizer Publikum wartete seit knapp einem Jahr auf die Show, da sie verschoben wurde. Somit war die Vorfreude schon entsprechend spürbar.

Ein Text von Emanuel Rucki

Die Gruppe wurde auf ihrer Tour von verschiedenen Voracts begleitet – meist von Rappern. An der Zusatzshow in Zürich sowie an der Hauptshow waren es die beiden von Audio88 & Yassin. Die beiden, welche auch aus Berlin stammen und schon mehrere Tracks mit K.I.Z auf ihren Alben hat, heizte die Stimmung der Halle schon mal mit ihrer Musik an, die sie zusammen seit 2009 produzieren. Die angespannte Stimmung vor dem Vorhang mit dem Logo «K.I.Z» mussten die Fans anschliessend noch etwa dreissig Minuten aushalten, bis sie ihre geliebten Kannibalen in Zivil sehen konnten. Nach einer Ansprache der Leiterin der fiktiven Nervenheilanstalt Birkenhain in Berlin aus dem Musikvideo des Tracks «V.I.P in der Psychiatrie» wussten die Fans bereits, welcher Song sie nach dem Fallen des Vorhangs erwarten wird.

Danach fiel er also und Tarek riss das Publikum direkt in die komplette Ausrast-Stimmung, da dieser Song echt der beste ist, um das Publikum in die gestörte Welt der K.I.Z-Texte mitzunehmen. Mit ihren weissen Anzügen mit der Aufschrift «Birkenhain», mit welchen sie im Video aus dieser Psychiatrie ausbrechen, stehen sie von Anfang an auf der Bühne. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob sie frisch von der Nervenheilanstalt in die Halle eingebrochen wären. Es folgten direkt «Rap über Hass» und ältere Tracks wie «Urlaub fürs Gehirn». Die Art, wie die drei Jungs auf der Bühne stehen, hat sich über die ganzen «ruhigen» Konzertjahre nicht verändert. Sie lockern die Stimmung immer noch genau gleich auf mit ihrem direkten und halbironischen Humor.

DJ Joe vom Duo Drunken Masters, der mit ihnen auf der ganzen Tour dabei ist, sorgte dafür, dass die Halle mit heftigen Bässen mit dem vinylen Setup beschallt wurde. Die Angst, dass die älteren Tracks oder echte Punchlines verloren gehen wegen den eher neuartigen Trap Tracks, verging spätestens nach den Songs aus dem zweitneusten Album. «Berghainschlange», «Heliumballon» oder auch aus dem neusten Album, «Definition von Glück», holten auch schwierige Reime hervor. Das Konzert war zu diesem Zeitpunkt schon gut in Fahrt. Wer hätte es gedacht, Audio88 & Yassin tauchten plötzlich wieder von der Backstage auf und spielten einige gemeinsame Tracks mit K.I.Z.

Weiter gings mit allem, was ein K.I.Z-Fan braucht. Maxim spielte seinen Solo-Song «Bier», bei welchem er vor dem Lied das Publikum zum Ausrasten brachte. Er tat so, als möge er kein Bier und gab es anschliessend einer Zuschauerin zum Trinken. Tarek spielte seine neue Single «Hartz 4» und «Kaputt wie ich» aus seinem Solo-Album «Golem», welches ein ziemlich emotionales Lied ist.

Nach «Hurra die Welt geht unter» und dem Song an die alte Kanzlerin «Danke Merkel» war es plötzlich völlige dunkel. Leise hörte man die Melodie der K.I.Z-Hymne «Kannibalenlied», und nur das Publikum wurde mit Licht beschienen. Nachdem die Zuschauer:innen ohne die Rapper gesungen hatten, erschienen sie in Uniformen, wie man sie von früheren Konzerten kannte, wieder auf der Bühne. Nach Gänsehaut-Liedern wie «Kinderkram» wusste das Publikum nicht mehr so ganz, wie oft es die drei Jungs noch auf die Bühne herausklatschen musste. Der Abend endete jedoch mit heftigem Pogo und Moshpits in der Grösse der ganzen Halle zum Lied «Ein Affe und ein Pferd», zu welchem bei manchen Erinnerungen an Zeiten von 2013 auftauchten.

Das neue Album, welches gross angekündigt wurde

Die drei Rapper zeigten sich seit dem Album «Hurra die Welt geht unter» (2015) nur noch auf einigen Konzerten, aber nie kam neuer Sound. Seit 20 Jahren waren sie immer sehr fleissig im Herausbringen von neuer Musik, jedoch haben sie sich für das neue Album sehr viel Zeit gelassen. Schon in Zeiten des Lockdowns wurde angekündigt, dass sich die Fans auf etwas grosses Neues freuen können. Ganze sechs Jahre mussten die Fans warten. Bis auf das Solo-Album von Tarek war es lange ziemlich ruhig in diesen Jahren.

Mit «Rap über Hass» erschien das sechste Studioalbum. Damit sorgen sie für sehr provokante Unterhaltung, welche sie schon beim ersten der zwölf Songs und gleichzeitig dem Namensgeber des Albums «Rap über Hass» hervorbringen. Anlass war eine stupide Rede des AfD-Politikers Bernd Baumann, bei welcher er über sie spricht. Sie zogen Samples heraus und hatten somit einen perfekten Start für den ersten Song. Die Rapper sprangen definitiv ein wenig mehr auf den rollenden Trap-Zug auf – aber auch nicht vollständig, da sie auch nicht den «Tretti» Sound komplett übernehmen wollten. Beispielsweise mit dem Song «Ja», in welchem Maxim die Stöhn-Rhythmik vorgibt und die Zuhörer:innen auf eine wunderbare Unterhaltung einer sich entwickelnden Partynacht mitnimmt. In diesem Album findet man nebst Party- und Trap-Knallern wie «V.I.P in der Psychiatrie» oder «Filmriss» auch Soul-Versatzstücke auf «Rap über Hass» oder einen Electronica-Ausflug auf «Unterfickt und geistig behindert».

«Rap über Hass» ist eines der besten politischen Alben der heutigen Zeit, auf eine eigene Art, denn es ist nicht in erster Linie politisch, sondern es entzieht sich jeder direkten Botschaft. Sich an schlichte Parolen oder Meinungen anzugleichen kann durchaus gut sein, jedoch ist es wichtig, seine eigene Meinung zu allem was abgeht auf der Welt zu hinterfragen und seine Wut sowie den Hass in allen möglichen Situationen wieder neu auszurichten. Genau das macht K.I.Z erneut in ihrem Album.

«Ein halbes Jahrzehnt ohne Album ist schon sehr sehr lange»

Nach ziemlich genau sechs Jahren kam im Winter 2020 völlig aus dem Nichts das Album «Und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung», bei welchem sich die Album-Abstinenz wie weggeblasen anfühlt. Mit bitterschwarzen Punchlines und auch ohne DJ Craft geht das Album wieder nach dem Erfolgsrezept, welches sie schon immer eingehalten hatten. Dieses Album war also schon mal ein echtes Throwback ins Jahr 2011. Diese Fähigkeit von Nico, Tarek und Maxim wirkt auch bei diesem Album nicht. Die sehr witzigen Gimmick-Nummern, temposteigernde Intros wie auf «Eishockey» oder auch Interludes mitten im Album wie auf «Fledermausmane» und «Autobahntunnelfischmenschen» ging bei diesem Mixtape überhaupt nicht verloren. Witzig, selbstironisch und von schwarzem Humor übersät ist das Album auf jeden Fall, was man einfach von einem K.I.Z Album erwarten kann.

Wer sind diese drei Gestörten?

Die Berliner Tarek Ebéné, Maxim Drüner und Nico Seyfried gründeten ursprünglich noch mit DJ Craft zusammen die Gruppe. Der alte DJ machte sich vor einigen Jahren sich auf einen eigenen Weg in Richtung Club DJ’ing. Die Kannibalen in Zivil, einer der möglichen vollen Namen von K.I.Z, rappen mit einer Mischung aus ziemlich heftiger Provokation, Selbstironie aber jedoch auch mit sehr viel Humor. Die Band ist, wie sie es beim Interview mit dem «Tagesspiegel» sagt, der Batman der linken Szene. Sie benutzt ihre ausgeklügelte Selbstironie immer wieder als Waffe gegen die verdrehten Ansichten in der Politik, so, wie sie es auch im neuen Album erneut verwendet.

Maxim tänzelt (Bild: Emanuel Rucki)

In einigen Interviews betonen die Künstler jedoch immer wieder, dass sie auch eine Band sein dürfen, mit der sich die Leute nicht immer einig sind. Die Systemkritik und die volle Ironie in ihren verrückten Texten frotzeln sehr bewusst und ecken an. Egal in welchen Texten, K.I.Z nutzen die Provokationskunst völlig aus, sie stehen als Militärdiktatoren auf den Bühnen und kennen somit keine Grenzen.

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Titelbild: Emanuel Rucki

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