«Festivals wie das Woerdz gibt es weltweit nur ganz wenige»4 min read
Reading Time: 3 minutesDas Spoken Word Festival Woerdz geht in die nächste Runde. Vom 26. bis 29. Oktober 2022 erwarten dich im Luzerner Südpol Wortakrobat:innen und Poet:innen aus der Schweiz und der ganzen Welt. Aline Pieth, die Geschäftsführerin des Vereins Woerdz, stand uns im Interview Rede und Antwort.
frachtwerk: Aline Pieth, nach zwei Jahren gibt es endlich wieder «Spoken Word» im Südpol. Das letzte Festival fand inmitten der Covid-19-Pandemie statt. Damals spielte KT Gorique vor sitzendem Publikum und der Auftritt von Lee Scratch Perry musste aufgrund der neuen Restriktionen des Bundes kurzfristig von Samstag auf Freitag vorverschoben werden. War die diesjährige Organisation einfacher?
Aline Pieth: Bei der vergangenen Ausgabe war insbesondere die Schlussphase mit all den Ungewissheiten sehr anspruchsvoll. Am Festival selbst mussten wir dann täglich improvisieren mit Änderungen bei der Anzahl Besucher:innen, Sektoren, Datenerfassungen, der Sperrstunde und so weiter. Das Schöne war, dass damals trotz der schwierigen Situation bis auf zwei Künstler:innen alle kommen konnten. Bis anhin ist es also sicherlich viel entspannter. Ich hoffe sehr, dass dies bis zum Festival so bleibt. Schwierig war es in diesem Jahr mit den grösseren Acts. Viele hatten noch Nachholtermine aufgrund der Pandemie, und da kam mir das Booking manchmal schon vor wie in einem Haifischbecken.
frachtwerk: Auch dieses Jahr spart ihr nicht mit grossen Namen. Mit Yasiin Bey (auch bekannt als Mos Def) holt ihr eine amerikanische Hip-Hop-Legende in den Südpol. Mit Lara Stoll, Manuel Stahlberges und Stereo Luchs sind auch bekannte Schweizer Künstler:innen vertreten. Insgesamt treten in den vier Tagen 46 (mit den Projekten im öffentlichen Raum und dem Vermittlungsprogramm sind es gar über 60 involvierte) Artists auf. Nach welchen Kriterien wird ein solch grosses und diverses Programm zusammengestellt?
Aline Pieth: Die Programmgruppe möchte die stilistische Vielfalt und Offenheit der Sparte demonstrieren, aufzeigen, wie divers das Genre Spoken Word ist. Wir haben bei der Programmierung immer ein Augenmerk auf Neues, Ungesehenes, Experimentelles. Populäre Formate wie Poetry Slam treffen so auf Lautpoesie, Lyrik, musikalische Lesungen, Rap und spartenübergreifende Kollaborationen zwischen Autorinnen und Autoren aus dem In- und Ausland.
«Festivals wie unseres, das nur Spoken Word zeigt, gibt es weltweit nur ganz wenige.»
frachtwerk: Wie schätzt du die Schweizer «Spoken-Word»-Szene im weltweiten Vergleich ein? Wird die Kunst des «gesprochenen Wortes» hierzulande geschätzt und gefördert?
Aline Pieth: Spoken Word hat in der Schweiz eine lange Tradition, entwickelt sich stetig weiter und ist geprägt durch eine unglaubliche Vielfalt, gerade auch in Kombination mit anderen Kunstformen wie der Musik, bildenden Kunst und so weiter. Ein weltweiter Vergleich ist schwierig. In den meisten Kulturen und Ländern hat das Erzählen eine Tradition. In der Schweiz ist Spoken Word als Kunstform akzeptiert.
Auch im klassischen Literaturbetrieb ist Spoken Word unterdessen angekommen, das zeigt sich in den Programmen von Literaturfestivals, in den Verlagsprogrammen und in der Tatsache, dass Spoken Word als Kunstsparte gefördert und unterstützt wird von der öffentlichen Hand und privaten Stiftungen. Und ja, Spoken Word in seinen diversen Formen trifft auf ein interessiertes Publikum, insbesondere das Interesse an Slams ist ungebrochen und ein idealer Einstieg für ein junges Publikum. Festivals wie unseres, das nur Spoken Word zeigt, gibt es weltweit aber nur ganz wenige.
frachtwerk: Wieso findet das Festival im Südpol und nicht im KKL oder im Luzerner Theater statt?
Aline Pieth: Der Südpol ist der ideale Festivalort für uns. Die Grösse stimmt, wir können verschiedene Räume nutzen und bespielen, auch die Shedhalle und den Club. Das gesprochene Wort lässt sich auf den Bühnen im Südpol hervorragend inszenieren. Das Südpol-Team ist toll und unterstützend, insbesondere für das Technikteam sind wir eine spannende Herausforderung mit den vielen Acts, die alle sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben. Das KKL und das Luzerner Theater wären schlicht zu gross. Auch der Südpol ist nicht klein für ein Literaturfestival, aber die Atmosphäre ist trotzdem sehr familiär.
«Unsere Botschaft ist: hört zu und seht hin! Die Kunst spricht für sich, da brauchen wir als Festival nicht auch noch eine Botschaft überstülpen.»
frachtwerk: «Find out what they have to say» lautet der Slogan eures diesjährigen Werbeteasers. Im Video sind diverse Künstler:innen zu sehen, die kurz vor dem Sprechen nochmals Luft holen. Habt ihr selbst als Verein «Woerdz» auch eine Botschaft zu vermitteln?
Aline Pieth: Unsere Botschaft ist tatsächlich: hört zu und seht hin! Die Kunst spricht für sich, da brauchen wir als Festival nicht auch noch eine Botschaft überstülpen. Wir verstehen uns tatsächlich als Plattform für Spoken Word-Künstler:innen. Wenn wir als Verein eine übergeordnete Botschaft vermitteln wollen, wäre das wohl: Spoken Word ist eine Kunstform.
Titelbild: zVg