«Wir versuchen gerade herauszufinden, wer wir sind»: BEACHPEOPLE im Interview10 min read
Reading Time: 7 minutesFür sein allererstes Konzert in der Schweiz als BEACHPEOPLE hat es Malte Huck (28) nach Luzern verschlagen – genauer gesagt ans Echolot Festival, in die ehemalige ewl-Zentrale. Zwischen Telefonbooths und teuer aussehenden Büromöbeln spricht der ehemalige Bassist von AnnenMayKantereit mit uns über Sprache, Druck und das Herausfinden, wen man sein will.
frachtwerk: Malte, du hast heute deine erste Show als BEACHPEOPLE in der Schweiz gespielt. Was ist dein Fazit?
BEACHPEOPLE: Ich weiss nicht, ob man es bemerkt hat, aber für uns war es ein direkter Übergang von Soundcheck zu Show. Ich habe auf der Bühne gemerkt, dass ich nicht so richtig da bin. Das hat mich zwischen den Liedern sehr verunsichert. Die Lieder an sich haben viel Spass gemacht und in den Momenten, die ich geniessen konnte, habe ich gedacht «Woah… Voll schön, wie viele Leute da sind.»
frachtwerk: Du bist heute in einer ehemaligen Zentrale des Luzerner Energieversorgers aufgetreten. Gibt es andere spezielle Locations, die du bereits bespielt hast?
BEACHPEOPLE: Das ist eine der tollsten Sachen; wenn ein Festival sich was überlegt. Ich habe schon in Linienbussen gespielt, in irgendwelchen besetzten Häusern, auf Dächern. Ich habe echt das Glück, dass ich schon ganz viele komische Orte durch das Musikmachen sehen durfte. Zum Beispiel mit AnnenMayKantereit haben wir eine Weile lang, zu Zeiten des «Schlagschatten» Albums, viele Videos an speziellen Orten gedreht. Das waren keine Konzerte, aber wir haben dann in Flüssen, auf Eseln und an ganz seltsamen Orten Musik gemacht.
Das hat, wie so vieles, halt Vor- und Nachteile: Ich habe eine Release Show in Leipzig gespielt, im Studio Papaya – ein Keramikladen von zwei Freundinnen. Das war eine tolle Atmosphäre. Weil auf einmal ist Musik an einem Ort, wo es normalerweise keine Musik gibt. Und das ist halt auch der Nachteil. Weil da, wo es in der Regel keine Musik gibt, ist der Sound in der Regel auch nicht gut.
frachtwerk: Die Crowd, vor der du heute gespielt hast, war kleiner, als du es dir wahrscheinlich von AnnenMayKantereit gewohnt bist. Wie ist dieser Umstieg für dich?
BEACHPEOPLE: Ich verstehe, dass das von aussen verglichen wird, weil ich natürlich die Person bin, die auch bei AnnenMayKantereit gespielt hat. Aber meine Rolle ist eine ganz andere und das ist für mich überhaupt nicht vergleichbar. Damals war alles sehr routiniert. Wir wussten ganz viel, was wir als BEACHPEOPLE gerade noch herausfinden. Es erinnert mich ein bisschen an die Anfänge von AnnenMayKantereit und an unsere ersten Konzerte. Ich weiss gar nicht, ob die Leute wegen mir oder wegen dem Festival da sind. Deshalb sind die schönen Momente so richtig schön und die schwierigen Momente halt nochmal extra schwierig.
Wir versuchen gerade herauszufinden, wer wir sind, und damit geht alles einher, was damit einhergeht. Positiv wie negativ. Ich bin jetzt gerade am Ende von einem Jahr, das einfach super anstrengend war. Aber es hat alles meine Erwartungen übertroffen: Die Konzerte, die wir gespielt haben, wie die Platte («i’ll be gone for a little while» EP) geworden ist und was ich für Rückmeldung kriege. Ich hätte nicht gedacht, dass das dieses Jahr schon passiert und das ist echt cool.
«Es ist wie eine neue Sportart oder ein neues Instrument zu erlernen.»
frachtwerk: Würdest du sagen, das ist alles einfach viel intensiver für dich, als es am Schluss mit AnnenMayKantereit war?
BEACHPEOPLE: Genau. Es ist wie eine neue Sportart oder ein neues Instrument zu erlernen. Man hat so viele Unsicherheiten und man fühlt sich wackelig. Aber irgendwie ist es auch geil: Ich lerne gerade mich in meiner Musik auszudrücken und versuche, wie auf der Platte, alle Instrumente zu schreiben und einzuspielen. Das ist nochmal eine ganz andere Challenge für mich.
frachtwerk: Schreibst du alles allein?
BEACHPEOPLE: Ja, also auf der Platte habe ich alles allein geschrieben. Produziert habe ich sie zusammen mit Simon Freidhöfer, einem Produzenten aus Leipzig. Die Instrumente habe ich grösstenteils selbst eingespielt und für manche Lieder haben wir uns Musiker:innen dazugeholt, die wir gut finden. Bei dem Lied «one second less to live» zum Beispiel hat nochmal ein Drummer Schlagzeug eingespielt, denn ich bin kein guter Schlagzeuger. Alles selbst zu machen war aber auch sehr anstrengend.
frachtwerk: Dafür ist es auch dein eigenes Projekt.
BEACHPEOPLE: Ja. Das bringt halt vieles mit sich. Sich so auszudrücken und sich verletzlich zu machen, aber gleichzeitig auch immer dann allein davor zu stehen. Ich weiss nicht, ob ich das nochmal so mache. Weil das einfach so viel abverlangt. Ich habe bis dahin eigentlich immer in Bands gespielt und da hast du halt immer das direkte Feedback. Das hat auch seine Vor- und Nachteile, aber zumindest ist man nicht allein damit.
frachtwerk: Lohnt sich der Druck, der durch das Projekt BEACHPEOPLE nun alleine auf dir lastet?
BEACHPEOPLE: Ja, es lohnt sich so krass in manchen Situationen. In anderen Situationen hinterfrage ich es umso doller. Ich habe schon Leute, die mir in Scheiss-Situationen helfen, aber dann stehe ich trotzdem allein davor. Das ist einfacher abzufangen, wenn man zu viert dafür verantworten muss. Das bezieht sich nicht auf Liveshows, weil die spielen wir auch zu fünft. Aber so was, wie eine Platte rausbringen. Ich kann zwar nicht gut Lob annehmen, aber das kann ich dann wenigstens irgendwie auf mich beziehen. Aber wenn dann schlechte Sachen kommen, beziehe ich die halt auch nur auf mich. Ich muss dann selbst rausfinden, wie nah ich das an mich ranlasse. Gerade in Zeiten des Internets, gibt es halt auch Leute, die einfach irgendwas schreiben. Dann muss ich allein entscheiden, wie valide ist das. Vielleicht hat die Person auch einfach recht mit dem, was sie da kritisiert.
«Was ist denn meine Musik, meine Ausdrucksweise?»
frachtwerk: Bringt es auch positive Aspekte mit sich? Dass du deine eigene Interessen durchsetzen kannst und dich nicht gegenüber anderen behaupten musst?
BEACHPEOPLE: Ja, ich muss keine Kompromisse eingehen. Ich kann mir meine eigene Welt spinnen und das macht total Spass. Das ist auch das, was mich daran so gereizt hat. Bis jetzt habe ich immer in Projekten gespielt. Aber mich hat auch mal interessiert: Was ist denn meine Musik, meine Ausdrucksweise? Und ich habe das Gefühl, ich bin noch gar nicht da. Aber das war auf jeden Fall der grösste Schritt in die Richtung, in die ich gehen will.
frachtwerk: Du machst jetzt Musik in Englisch. Wie kam diese Entscheidung?
BEACHPEOPLE: Für mich war das immer total logisch. Ich habe vor AnnenMayKantereit immer in englischen Projekten gespielt. Und ich habe für mich immer auf Englisch geschrieben. Seit ich ein kleines Kind bin, ist Englisch für mich meine Sehnsuchtssprache und die Welt, in die ich mich zurückgezogen habe. Wenn es eine Sprache gibt, die für mich damit einhergeht, was ich so ausdrücken will, dann ist es irgendwie immer Englisch.
frachtwerk: Du bist ja gerade noch auf deiner Tour. Was kann man danach von dir erwarten? Hast du schon Pläne?
BEACHPEOPLE: Ja, viele: Wir haben ein paar Live Sessions gedreht, die rauskommen. Wir haben für jedes Lied auf der Platte ein Musikvideo gemacht und da kommt noch das letzte raus. Ausserdem spiele ich am 23. Dezember einen Auftritt in Hennef, wo ich herkomme. Ich wollte eine Art Weihnachtskonzert machen für die Leute, die an Weihnachten immer nach Hause kommen. Und ich glaube, dann mache ich Urlaub. Ich habe schon angefangen, ein Album zu schreiben. Aber ich weiss noch nicht genau, wie es werden soll. Das ist alles noch nicht so richtig die Richtung, in die ich will, aber ich nähere mich irgendwie dem an. Die Zeit der EP ist für mich so abgeschlossen. Ich will nicht, dass das Album nochmal so klingt. Ich weiss aber noch nicht, wie es klingen soll und ich glaube, das wird nächstes Jahr meine Aufgabe.
«Bis vor einer Woche hätte ich eigentlich am liebsten nicht gespielt.»
frachtwerk: Du hast auch schon auf Instagram gepostet, dass das mit den Ticketverkäufen momentan mega schwierig ist. Es haben auch schon andere Künstler:innen drüber gesprochen, dass die Musikbranche irgendwie so unsicher ist. Hält dich das auch ein bisschen zurück in deinen Plänen?
BEACHPEOPLE: Ja, auf eine Art und Weise schon. Die Tour, die ich jetzt spiele – das sind ja vier Auftritte und das Festival. Das ist ja nicht so viel, aber ich wollte es ursprünglich nicht machen, als wir es geplant haben. Ich wusste nicht, wie es im Herbst mit Covid aussieht. Aber ich wusste, dass dann alle spielen wollen und es ein riesiges Überangebot gibt. Und jetzt kommt auch noch dazu, dass alles mega teuer ist. Die Leute haben einfach keine Kohle gerade. Viele haben auch noch Tickets über von Veranstaltungen, die verschoben wurden. Es gibt also sehr viele Faktoren, die dazu führen, dass das gerade total schwierig ist.
Bis vor einer Woche hätte ich eigentlich am liebsten nicht gespielt. Gestern waren wahrscheinlich 150 oder 160 Leute am Konzert. Das ist mega gut für das erste eigene Konzert. Der Laden war komplett voll, aber das ist halt gerade nicht garantiert. Ich habe Freunde, die sagen Konzerte ab, weil sie keine Tickets verkauft haben. Und das ist halt gerade die Realität. Es ist keine Zufalls- oder Randerscheinung, sondern das geht bis an etablierte Künstler:innen. Tocotronic haben gerade ihre Tour verschoben. Das ist richtig scheisse und ich habe gerade wenig Lust, eine grosse Tour so zu spielen. Es ist zu riskant, weil man sich finanziell ein Riesenfass aufmacht. Ich werde auf dieser Tour kein Geld verdienen, das ist im Endeffekt einfach Promo. Aber eigentlich ist es ja die Situation, in der du als Musiker:in Geld verdienst. Das wird sich bestimmt wieder entspannen, aber ich sehe gerade nicht so richtig wie. Deswegen freue ich mich auch nach dem Jahr jetzt erstmal einfach wieder zu schreiben und zu hoffen, dass sich die Lage verbessert.
frachtwerk: Ich habe das gar nicht so mitgekriegt, bis ich es bei dir gesehen habe. Auch Felix und Steffen (von Kraftklub) haben bei «Radio mit K» darüber gesprochen. Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Konzerttickets gekauft, wie im Moment.
BEACHPEOPLE: Ich glaube, gerade die Leute, die viel in der Musikszene unterwegs sind oder sich viele Konzerte angucken, die ballern gerade noch mal richtig. Ich habe mir auch übelst viele Tickets gekauft. Aber es sind nicht alle so hungrig danach. Es gibt auch total Viele, die Ängste entwickelt haben oder für die das eine Stressvorstellung ist. Das kann ich auch total verstehen. Deswegen ist es auch wichtig, dass dann Leute wie Felix und Steffen so was in ihrem Podcast ansprechen. Weil dann wird es Realität. Es ist ja kein Gejammer, sondern einfach nur «Hey, so siehts übrigens gerade aus. Und wenn wir nicht was dran ändern, dann werden wir irgendwann keine Liveauftritte mehr sehen können.»
Ich glaube, es gibt viele Leute, die das nicht wollen und es gibt auch viele Leute, die das nicht auf dem Schirm haben. Wenn du jetzt zu einem Konzert von einem etablierten Act gehst, dann wird es in der Regel auch gut besucht sein. Da gibt es das Problem nicht und da wird es halt wieder sehr ekelhaft kapitalistisch. Die grossen Projekte bestehen einfach weiter und werden vielleicht sogar grösser, nur die kleinen struggeln. Vielleicht auch ein Festival wie das Echolot, wo viele kleine Acts spielen. Ich hoffe, dass es ein Erfolg ist. Aber heute war es ja ausverkauft. Das ist schon voll das gute Zeichen.
Interview: Miriam Abt und Linda Lustenberger
Bilder: Rebecca Emmenegger