Offspace als Raum der Begegnung4 min read
Reading Time: 3 minutesEs ist ein regnerischer Freitagnachmittag. Unabhängig davon, dass die Zeit vor einer Woche um eine Stunde zurückgestellt wurde, setzt die Dämmerung früh ein und legt einen düsteren Schleier über die Stadt. Die melancholische, herbstliche Stimmung weckt das Bedürfnis nach Wärme, nach Begegnungen mit Menschen. «Schön, bist du da», wird man beim Eingang des Kunstpavillons von der Künstlerin Jana Rippmann begrüsst, als hätte sie das Bedürfnis spüren können.
Dreiteilige Ausstellungsreihe
Gerade hat sich die kleine Gruppe, welche sich um die Kunstinstallation von Jana Rippmann für einen Austausch versammelt hatte, aufgelöst. Während einige Besuchende noch im Gespräch sind, macht Fabienne Immoos in einer improvisierten Küche Tee für die Gäste. Sie bildet gemeinsam mit Andrea Fortmann und Jeanine Burkard das Kollektiv slot_, welches für ein Jahr im Kunstpavillon untergebracht ist. Hier haben sie die dreiteilige Ausstellungsserie «in conversation» organisiert. Mit «carthography of the present» von der Hamburgerin Jana Rippmann und Marvin Prinz aus Luzern endet die Reihe.
Auf der Suche nach Ordnung
Die Ausstellung ist auf zwei Räume verteilt. Im etwas grösseren Raum auf der linken Seite des Gebäudes hat Jana Rippmann eine Gesamtinstallation errichtet. Der Raum wimmelt von kleinen und grossen Gegenständen wie künstlichen Blumen, Postern und Tapeten in Pastelltönen, in einigen Ecken glitzert und glänzt es. Beim Gehen durch das Feld von Objekten, welche auf den ersten Blick zufällig angeordnet scheinen, bildet sich ein Netz von die Objekte verbindenden Verflechtungen und Geschichten. Das Verlangen nach Ordnung, nach welcher sich der Mensch sehnt, wird bei der Begegnung mit der Installation von Jana Rippmann deutlich.
Ordnung zu schaffen macht sich der Künstler Marvin Prinz, der den zweiten Raum bespielt, zum Thema seiner künstlerischen Tätigkeit. Ein rechteckiges Feld kleiner Objekte, sorgfältig und sich an die Struktur der Holzplatten des Bodens haltend platziert, breitet sich vor den Besuchenden aus. Die Büroklammer, der Reisverschluss oder die alte Velolampe werden in Bezug zu den ihnen benachbarten Elementen gesetzt, erhalten aber auch jeder für sich eine Bedeutung. Getrennt von ihrer ursprünglichen Funktion wird die ihnen innewohnende Ästhetik aus einer neuen Sichtweise erfasst.
Neben den Objekten sind auf zwei zweckmässig errichteten, niedrigen Tischen verschiedene Ordner offen ausgelegt. Der Künstler hat kleine Papierschnipsel, Briefe, Aufkleber und eine Vielzahl weitere, die zweite Dimension nicht überschreitende Gegenstände, in Sichtmäppchen gelegt. Wie bei den auf dem Boden verteilten Objekten gibt der Künstler damit Einblick in persönliche Sammlungen von Fundgegenständen, welche er systematisch geordnet hat.
Im Vordergrund steht der Prozess
slot_ hat mit Jana Rippmann und Marvin Prinz zwei jungen zeitgenössischen Künstler*innen eine Plattform gegeben, ihr künstlerisches Schaffen weiterzuentwickeln und in Bezug zueinander zu setzen. Dabei steht nicht nur das daraus entstehende Produkt im Fokus, sondern auch das Prozesshafte. Deshalb fand während des einmonatigen Aufenthalts der Künstler*innen eine Veranstaltung statt, bei welcher die Besuchenden Einblick in den Arbeitsprozess der Kunstschaffenden erhielten.
Nicht nur dadurch unterscheidet sich das Konzept des Kollektivs von konventionellen Kunstaustellungen. Eine besondere Bedeutung gibt slot_, wie der Titel der Reihe «in conversation» bereits andeutet, dem Austausch – zwischen Künstler*innen, Kunstschaffenden und den Menschen, welche als Betrachtende Kunst begegnen. Ungebunden und frei kommen Menschen, während sie um die Kunstwerke herum versammelt stehen und diese betrachten, ins Gespräch über das, was sie sehen. Durch den Austausch werden Antworten auf Fragen gefunden und Gedanken angestossen, die über die sich im Raum befindende Kunst hinausgeht und die Besuchenden auch beim Verlassen des Kunstpavillons begleiten.
slot_ bleibt bestehen, ortsunabhängig
Bevor PTTH://, ein weiteres Kollektiv, mit welchem slot_ die Räumlichkeiten geteilt hat, eine letzte Ausstellung im Kunstpavillon organisiert, endet für slot_ mit «carthography of the present» die Nutzung dieses Raums als Offspace. slot_ hat im Kunstpavillon einen unkonventionellen Ort der Begegnung mit Kunst geschaffen. Ausgehend von der Freude, der Kreativität und dem freiwilligen Engagement, welche Andrea Fortmann, Jeanine Burkard und Fabienne Immoos in dieses Projekt hineintragen, lässt sich nicht daran zweifeln, dass dieser Ort bestehen bleibt, unabhängig seiner geografischen Lage. Gespannt wartet man darauf, zu erfahren, wie und wo slot_ sein Schaffen weiterführt.