«Häufig wird betont, man hätte das Gefühl, dass wir zu ihnen persönlich sprechen würden» – Im Gespräch mit Felizitas Ambauen6 min read
Reading Time: 4 minutesBeziehungskosmos in aller Ohren. Psychologie-Podcasts erleben einen regelrechten Boom, wobei der Beziehungskosmos an vorderster Front mit dabei ist. Doch was genau macht ihn so besonders? Und inwiefern kann ein Podcast der Psychologie gerecht werden? Um diesen und vielen anderen Fragen auf den Grund zu gehen, hake ich bei der Psychotherapeutin und Mitbegründerin von Beziehungskosmos, Felizitas Ambauen, nach. Sie verrät uns nicht nur, wie sie auf ihre Hörer:innenschaft eingeht, sondern auch wieso gerade der Beziehungskosmos wichtig für ein besseres Verständnis von Mensch und Umfeld ist.
Text von Valentina Ankenbrand
Felizitas Ambauen ist eine Psycho- und Paartherapeutin und rief zusammen mit Sabine Meyer «Beziehungskosmos» ins Leben. Um den derzeitigen Hype um den Psychologie-Podcast zu verstehen, gibt es wohl kaum jemand besseren zu fragen als Felizitas Ambauen persönlich. In diesem Interview werden die Vorteile, aber auch mögliche Gefahren der Psychologie-Podcasts entlarvt. Es soll also eine Reflexion über die Zusammenführung von Psychologie und Podcasts sein, denn eins ist klar: Ein Podcast kann nicht jedes einzelne Individuum direkt ansprechen, auch wenn es sich vielleicht manchmal so anfühlt.
frachtwerk: Hörst du dir selbst auch Psychologie-Podcasts an? Wenn ja, inwiefern unterscheiden sich diese von Beziehungskosmos?
Felizitas Ambauen: Nein, ich höre leider keine Podcasts, ich lese. Stimmen sind mir zu invasiv, ich mag die wenigsten. Drum sind Podcasts für mich meist recht unattraktiv. Es ist insofern sehr ironisch, dass ich selbst einen mache. Vielleicht ist das aber auch die Geheimzutat, warum es so gut funktioniert. Ich habe nie andere im Kopf – wie machen die das, was müsste ich tun, was kommt besonders gut an? Sondern mache es so wie in meinen Workshops. Ich bin mich selbst.
frachtwerk: Mit welchen Intentionen habt ihr euren Podcast ins Leben gerufen?
Felizitas Ambauen: Ich wollte – zunächst vor allem Paare – früher erreichen. Nicht erst, wenn sie frustriert und emotional erschöpft bei mir auf der Couch sitzen. Dafür schien mir ein Podcast geeignet. Aber ich hatte das technische Know-How nicht. Da ist mir Sabine Meyer über den Weg gepurzelt – und schwups, war der Beziehungskosmos geboren. Aufgrund der grossen Resonanz zur Schema-Arbeit hat es sich dann immer mehr so entwickelt, dass das im Vordergrund steht. Sabine und ich planen immer von Folge zu Folge, so können wir auch sehr auf den Puls des Moments eingehen.
frachtwerk: Schwingen dabei auch Hoffnungen mit, die Menschen untereinander zu sensibilisieren und vor allem auch gegenüber sich selbst und der Psychologie?
Felizitas Ambauen: Das ist mehr als eine Hoffnung, das ist die Vision!
frachtwerk: Ist es für dich als Psycho- und Paartherapeutin manchmal schwierig einzuschätzen, wie dein Wissen bei den dir unbekannten Hörer:innen ankommen wird?
Felizitas Ambauen: Zu einem Teil ja, weil unser Publikum mittlerweile sehr heterogen ist. 16-Jährige Jungs und auch über 70-Jährige Frauen (das ist natürlich nicht ans Geschlecht gebunden, aber ich beziehe mich gerade auf konkrete Rückmeldungen) hören den Podcast. Es kommen viele Rückmeldungen von heterosexuellen cis Menschen (vermutlich immer noch die Hauptzielgruppe), aber auch viele, die andere Beziehungsformen leben oder andere sexuelle Orientierungen haben und sich verstanden fühlen. Die Rückmeldungen sind überwältigend, wertschätzend und auffallend häufig wird betont, man hätte das Gefühl, dass wir zu ihnen persönlich sprechen würden. Das ist ein schönes Signal. Da ich seit 15 Jahren Workshops mache und mehrmals wöchentlich vor Gruppen stehe, weiss ich mittlerweile auch gut, was besser und was richtig ankommt. Das hilft sicher.
frachtwerk: Gibt es manchmal auch die Angst, falsch verstanden zu werden? Falls ja, wie gehst du beispielsweise mit dem Risiko der «Laiendiagnose» bei sich selbst oder dem eigenen Umfeld um?
Felizitas Ambauen: In der Tat ist die Überpsychologisierung unserer Zeit auch problematisch. Anhand von 15-sekündigen Videos auf TikTok kann sich nun jede Person innert kürzester Zeit selbst eine Diagnose verpassen. In der Praxis ist es heute darum oft so, dass jemand kommt um von mir zu hören, dass er oder sie nicht psychisch krank ist. Hingegen war es vor 15 Jahren noch so, dass ich jemanden, der tatsächlich eine psychische Störung hatte davon überzeugen musste. Deshalb schätze ich unseren Podcast. Er dauert 50 Minuten, nicht 15-Sekunden pro Folge, er bespricht ein Thema eingängig und relativ umfassend und bringt es in einen Zusammenhang. Was die Zuhörer:innen damit machen, auf welchem «Ohr» sie es empfangen oder welchen «Schema-Modus» es auslöst, kann ich nicht beeinflussen. Aber ich kann beeinflussen, dass sie psychologischen Content mit fundiertem Fachwissen und von einer erfahrenen Therapeutin erhalten. Das ist ein guter Anfang.
frachtwerk: Kann der Beziehungskosmos für gewisse Menschen einen Ersatz zur Therapie sein?
Felizitas Ambauen: Im richtigen Stadium vielleicht annährend, wobei ich das Wort «Ersatz» nicht passend finde – Eine Alternative. Wenn die Strukturen und Muster nicht zu verhärtet sind und man offen ist für Veränderung, kann der Podcast einen therapeutischen Effekt haben. Es schreiben viele Leute, der Podcast ergänze ihre Psychotherapie oder die Psychotherapeut:in habe den Podcast mit auf den Weg gegeben für nach der Therapie. Immer mehr Fachpersonen empfehlen den Podcast, was mich sehr freut (da ich einen hohen fachlichen Anspruch an den Inhalt habe). Aber ich betone: Der Podcast ersetzt ausdrücklich keine Therapie! Therapie ist individuell zugeschnitten und beruht auf einem direkten, beidseitigen Austausch. Das kann der Podcast nicht abdecken.
frachtwerk: Im Sommer kommt endlich das gleichnamige Buch raus! Was kannst du uns schon über das Buch verraten? Inwiefern unterscheidet es sich von dem Podcast?
Felizitas Ambauen: Da darf ich schon einiges sagen! Es ist das Buch zur Schema-Arbeit, die im Podcast regelmässig besprochen wird. Die Modelle werden endlich sichtbar sein, die Modi werden erklärt, Übungen und Reflexionsfragen für den eigenen Schema-Prozess angeboten. Es gibt Fallbeispiele und ein Wiedersehen mit Leonie aus Folge 64. Es ist das Buch, das ich gerne lesen würde, wenn ich eine Zuhörerin des Podcasts wäre. Wir werden jeweils im Podcast auf Kapitel verweisen, mit denen man den Inhalt vertiefen kann und verweisen im Buch auf die passenden Podcast-Folgen. Ich habe echt riesig grosse Freude, dass wir es – übrigens von der Community inspiriert, die immer wieder nach einem Begleitbuch fragte – schreiben durften.
frachtwerk: Wie sieht die Zukunft von Beziehungskosmos aus?
Felizitas Ambauen: Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Wir haben jedenfalls im Moment grosse Lust und Energie weiterzumachen. Jetzt kommt das Buch und eine Schweizer-Tournee auf grossen Bühnen ist bereits bis Sommer 2024 geplant. Wir werden sicher weiter mit viel Herzblut den Podcast produzieren. Wenn du mich heute fragst, habe ich noch viele viele viele Jahre Lust damit weiterzumachen und es gab noch keinen einzigen Tag, an dem ich mich nicht freute, mit Sabine zu arbeiten und dieses Ding zu machen. Sie zu treffen, war wie ein 6er im Lotto! Der Podcast zu machen ist eine grosse Leidenschaft und ich bin extrem dankbar dafür, dass sich diese Türen geöffnet haben.
frachtwerk: Euer Podcast ist nicht nur inhaltlich aussergewöhnlich, sondern auch euer Modell ist einzigartig. Ihr seid völlig unabhängig von Sponsoren und lebt rein von Spenden der Zuhörer:innen, wieso diese selbstauferlegte Schwierigkeit?
Felizitas Ambauen: Ganz kurz: Wir wollen komplett frei bleiben in unserm Inhalt!
Gut zu wissen:
Wer nicht genug von Beziehungskosmos bekommen kann, sollte nicht zögern, sich das Buch jetzt schon vorzubestellen!
Für weitere Infos rund um den Beziehungskosmos schaue gerne auf ihrer Website vorbei: https://www.beziehungskosmos.com
Bild: Claudia Herzog (links: Felizitas Ambauen, rechts: Sabine Meyer)