Ehrlich, amüsant und kunterbunt: Das mutige Debüt von Anna Rosenwasser3 min read
Reading Time: 3 minutesPorno-Referenzen, berührende Coming-Outs, Holocaust Anekdoten, Poesie über den abwesenden Vater und Roland-Witze – das «Rosa Buch» ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle.
Die Schweizer Autorin, Journalistin und LGBTQ+-Aktivistin, Anna Rosenwasser, hat am 22. März ihr Debut «Rosa Buch – queere Texte von Herzen» veröffentlicht. Darin teilt sie bahnbrechende Erkenntnisse über Diskriminierung, Sexismus und das Leben. Sie schreibt mutig über LGBTQ+-Rechte, Vorurteile, Stereotypen und ihre problematische Herkunft. Dies alles wird in ein Bündel von teilweise echten und auch fiktiven Essays und Kolumnen gepackt. Durch die bunte Kombination von politischen, gesellschaftlichen, aber auch persönlichen Geschichten entsteht das «Rosa Buch».
«Und daran will ich auch denken. Dass die Zeit nicht stillsteht.»
Der Essay-Band beginnt mit einer Art Brief Rosenwassers an ihre Leser*innen, in dem sie die Bedeutung der Farbe «rosa» erläutert. Durch das «Reclaiming» des Begriffs will sie die historisch abwertende Konnotation der Farbe abschaffen und ihr eine neue Bedeutung schenken. Die Texte, teilweise rosa und teilweise nicht, sind chronologisch angeordnet und mit Kommentaren von Rosenwasser aus der Gegenwart ergänzt.
Diese typografisch eingeschobenen Textbänder ringeln sich wortwörtlich aus dem Text hinaus, so, dass sie kaum übersehbar sind. Auch wenn der Lesefluss teilweise unterbrochen, und dadurch der Eindruck einer Rohfassung erweckt wird, gibt es eine interessante Einsicht auf den Schreibprozess. Es wird ersichtlich, dass auch sie selbst, Jahre später andere Ansichten zu ihren eigenen Texten hat.
Zu sehen ist dies beispielsweise bei alten Kolumnen, in denen die Bezeichnungen «Schlampe» oder «Schwuchtel» in einem ironischen Kontext verwendet werden. Die Gegenwarts-Anna stellt sich wiederum gegen diese Begriffe. Somit wird einem nicht nur
der literarische Prozess vor Augen gestellt, sondern eben auch die politische Agenda von Rosenwasser. Das «Rosa Buch» ist eine Momentaufnahme der heutigen Situation mit Aussicht darauf, was es noch zu verbessern gibt. Und diese ist Rosenwasser erfrischend ehrlich gelungen.
«In Zürich ist es einfacher an Koks ranzukommen als an einen passenden BH»
Der Schreibstil geht über von reflektierter und selbstkritischer Argumentation zu «hässigen» und humorvollen Texten. Dabei gelingt Rosenwasser was den meisten anderen schwer fällt. Sie betreibt Aktivismus für wichtige und ernste Themen, wie die Diskriminierung von Homosexuellen, Sexismus im Alltag und ihre jüdische Herkunft, ohne dabei mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Ganz im Gegenteil! Rosenwasser nimmt ironischerweise «Roland» als Stereotyp für einen weissen, hetero cis Mann und verweist dadurch amüsant auf alte, konservative Denkmuster. Wie immer nimmt sie jede Situation mit Humor, ohne dabei die Ernsthaftigkeit zu verlieren und regt jede Person an – sich selbst inklusive – die eigene Denkweise immer wieder zu hinterfragen.
Wenn man das Buch in die Hand nimmt, stellt man sich darauf ein, dass man früher oder später mit sich selbst in Konflikt treten wird. Jedoch wird man dabei durch die sympathische und authentische Art Rosenwassers begleitet und fühlt sich umso mehrgeborgen. Geborgen in den eigenen Fehlern und Vorurteilen, die man nach dem Lesen, ohne gross eine Wahl zu haben, so schnell wie möglich loswerden will.
«Manchmal ist es eben nicht nur ein Coming-out, sondern ein Letting-in.»
Auch wenn die Texte teilweise repetitiv sind und oft ähnliche Gedankengänge oder Thematiken aufweisen, werden diese dadurch nicht belanglos. Das «Rosa Buch» muss nicht zwingend von Anfang bis Ende durchgelesen werden, wie Rosenwasser im Brief an ihre Leser*innen verrät. Man kann je nach Vorliebe, Laune und Geschmack lesen, was und wann man will.
Die Idee ist es, dass jede und jeder daraus ziehen kann, was er/sie in dem Moment braucht. «Lynn zeigt mir, ab wann wir uns alleine fühlen. Dann, wenn sich die Welt zu schnell verändert und wir nicht hinterherkommen. Aber auch umgekehrt, wenn wir uns selbst verändern, in uns drin, und alles herum stillsteht.» Durch solch universale Messages wird nochmals eindeutig, dass das «Rosa Buch» eben für «queere Menschen und ihre Mitmenschen – also für alle.» ist.
Warum man das «Rosa Buch» lesen sollte:
Text: Elena Luna Dima
Fotos: Brandertainment