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Viele Klänge an einem Mittwochabend – America’s Band kam in Zürich vorbei5 min read

27. Mai 2023 4 min read

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Viele Klänge an einem Mittwochabend – America’s Band kam in Zürich vorbei5 min read

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Ein Mittwochabend wie kein anderer – die US-Instrumental Rock Band Polyphia zog am vergangenen Mittwoch den ganzen Komplex 457 in Zürich in ihren Bann. Es wurde vielseitiger Gitarrensound von absoluten Pros gespielt, es wurde crowdgesurft und das Publikum sang lauthals mit.

Für einen Mittwochabend versammelten sich erstaunlich viele Leute vor dem Komplex 457 in Altstetten bei Zürich. Die Crowd war divers, es kamen Leute jeglichen Alters, nur waren männliche Konzertbesucher wie zu erwarten zahlenmässig am meisten im Publikum vorhanden. Als Konzertaustragungsort war der Komplex 457 genau das Richtige – knapp ausverkauft wäre ein Hallenstadion nicht gefüllt worden und ein Plaza wäre zu klein gewesen.

Johan Lenox sorgte für eine schöne Überraschung

Unscheinbar betrat ein bärtiger, blondhaariger Mann in seinen Dreissigern die Bühne. Zum Instrumentarium gehörten zwei Geigen, eine E-Gitarre, ein Keyboard, (Drum-)Computer und ein Mikrofon. Neben Lenox spielten zwei Geiger*innen und ein Gitarrist gesichtsbedeckend in schwarzen Tüchern gehüllt. Zu Beginn liess sich der Sound klar dem modernen Hip-Hop zuordnen, den wir so gut aus den Staaten kennen. 808 Kicks kombiniert mit gestrichenen Einzeltönen der Geige und dem soliden Sprechgesang von Lenox klang es aus den Lautsprechern. Ohne Zögern erklärte Lenox kurz nach Konzertbeginn, dass er bereits für berühmte Rapper wie Kanye West oder Teyana Taylor produziert hat. Auch machte er keinen Hehl aus seinem Drogenkonsum und empfahl dem Publikum im Konzertverlauf, es möge Drogen nehmen und die Augen schliessen.

Lenox voll in seinem Element umgeben von drei in schwarz gekleideten Musikschaffenden

Eine starke Leistung zeigte Lenox darin, dass das Konzert sehr abwechslungsreich war, gut eingespielt wurde und sich passend in den gesamten Live-Performance-Abend einfügte. Er hat einen bedeutenden Teil zur Produktion des aktuellen Polyphia-Albums beigetragen. Die Zuneigung zum modernen Hip-Hop und klassischer Musik scheinen sich Lenox und die vierköpfige Band auf jeden Fall zu teilen. Als der Komponist spätestens gegen Ende seines Auftritts die Geigen streichend einsetzt und plötzlich in ein höheres Gesangsregister wechselt, gewinnt er die Aufmerksamkeit der Crowd. Die Zukunft für den aufstrebenden Rapper, Komponist und Produzent ist es sicher wert zu verfolgen.

America’s Band ging voll und ganz in ihrer Musik auf

Logisch wenn man sich auf den Namen des Titels verlässt, startete die vierköpfige, texanische Band Polyphia ihr Konzert mit dem Song «Genesis». Abgestimmt wie ihr erstes und letztes Lied (eben «Genesis», Englisch für Entstehung und letzteres «Euphoria»), war auch die Bandaufstellung auf der Bühne. Die zwei Gitarrengötter Scott LePage und Tim Henson positionierten sich auf den Aussenseiten links und Letzterer rechts, der Schlagzeuger und das Gerüst der Band Clay Aeschlimann in der Mitte und der Bassist Clay Gober zwischen Aeschlimann und LePage. Die beiden Gitarristen ergänzten sich meist sehr fliessend und passend. Meistens spielten sie unterschiedliche Riffs, Barrée Chords oder Solis. Weiter fügte sich auch das symmetrische Wandbild in den abgestimmten Auftritt und unterstrich mitsamt der sehr technischen Musik, dass nichts dem Zufall überlassen wurde. Der zentrale Fokus lag auf der Musik – Lichtshow, Wandbild und gar die unzähligen Gitarren waren eher Beigemüse.

Bereits beim vierten Song «Goose» rief LePage das Publikum auf, 10 Crowdsurfers zu stellen. Nach kurzem Zögern (es war ja doch ein Mittwochabend in der Schweiz) fanden sich diese. Bei beinahe nur diesem Stück waren die Gitarren für eine kurze Dauer nicht ganz synchron mit der Drumspur – jedoch war dies nur umso mehr der Beweis, dass die Musiker alles selber einspielten. Insgesamt überzeugten die Instrumentalisten mit ihrer extrem starken technischen und ausdauernden Leistung. Die Setlist für den Abend enthielt eine gute Mischung aus Höhen und Tiefen in der Intensität. An dieser Stelle ist aber wichtig zu erwähnen, dass Polyphia einen sehr eigenen Soundstil haben und auch klare Ähnlichkeiten zwischen den Liedern bestehen.

Tim Henson ist das Brain des Quartetts und verbindet Eigenschaften eines Genies und Beaus in einem

Bei «Champagne» inkludierte Entertainer LePage das Publikum aktiv mit ein, indem er es aufforderte, eine Riffmelodie mitzusingen. Das Publikum tat dies dann auch lauthals. Bei «Drown» brillierte Henson mit seinen Gitarrenskills – u.a. mit natürlichen Harmonics, jazzigen Gitarrenriffs und der präzisen Betätigung des Tremolos. Oft spielte Henson mit geschlossenen Augen, es schien beinahe so, als ob er die Gitarrenmelodien blind spielen könnte. Bei «Reverie» wurde laut LePage ein Musikvideo gedreht.

Drei Lieder bei der Zugabe – damit hätte wohl niemand gerechnet. Die Stimmung hebte sich erneut bei «G.O.A.T.», dem wohl populärsten Song des Quartetts und dies führte zu einem Moshpit. Sehr überraschend folgte dann ein CKY Cover ihres berühmten Songs «96 Quite Bitter Beings». Mit dem hereinstürzenden No-Name Sänger, der den Text des Lieds sang, wurde auch der Musikstil komplett geändert. Es wurde musikalisch gesehen punkiger und weniger kompliziert. Dies brachte dem Ganzen eine witzige Würze ein und ebnete dem letzten Stück des Abends «Euphoria» den Weg zur tatsächlichen Euphorie des Crowds.

Die Band spielte insgesamt etwas länger als eine Stunde. Zum Einen war dies etwas schade, da der Auftritt im Nu vorbei war, dennoch leuchtet die eher kurze Konzertdauer ein, spielen die 4 Musiker doch sehr anspruchsvolle Sets und dies seit März bis sicher November dieses Jahres auf drei Kontinenten. Wer das Konzert verpasst hat, muss sich wohl oder übel gedulden – sie haben für dieses Jahr keinen weiteren Auftritt in der Schweiz geplant. Bis zum nächsten Gig lässt sich aber ihre Musik hören:

 

Bilder: Gregory Li

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