Apokalyptischer Rausch und emotionale Rebellion – Blackhaine an der Bad Bonn Kilbi 20232 min read
Reading Time: < 1 minute«I was dreaming I was dead!», schreit Tom Heyes an der diesjährigen Bad Bonn Kilbi auf der B-Stage über aufgeblähte verzerrte Melodien bevor er auf der Bühne zusammenbricht und ein fetter Trap Beat ihn wieder auferstehen lässt. Eine atemberaubende Mischung aus Drill-Rap, experimenteller Musik und zeitgenössischem Tanz.
Der Name Blackhaine, gewählt vom 28-jährigen Rapper und Tänzer, Tom Hayes, spielt mit den Wörtern «black», um die selbstzerstörerische und emotionale Spirale der Armut im Norden Englands zu symbolisieren, und «haine», eine Anspielung auf den berühmten französischen Film La Haine.
Es ist Samstagmorgen 1:20 Uhr und die vom Nebel bedeckte Bühne wird abwechselnd mit blauem und weissem Licht erhellt. Das Mikrofon zeigt in Richtung des Publikums sowie der Rücken des DJs. Bass geschwängerte, verzogene und sich steigernde Synths füllen den Raum bis aus dem Nichts der in schwarz gekleidete Blackhaine die Bühne einnimmt. Düstere Geschichten, welche er sich mit leidenschaftlicher Intensität wortwörtlich von der Seele schreit, krachen wie dunkle, schwermütige Wellen auf das Publikum nieder. Dabei windet und verzieht er seine imposante Gestalt als ob er von mystischen Kräften geleitet würde. Die schwere Atmosphäre lässt die Zuhörer:innen in wehmütigem Mitschreien vereinen.
In mitten des Konzerts springt er von der Bühne und wälzt sich auf den harten Holzspänen zwischen den wippenden Zuschauern. Sein Tanzstil ist inspiriert von der japanischen Theaterkunst Butoh, bei der die Darsteller:innen mit langsamen Bewegungen und extremen Körperverzerrungen kunstvolle, wortlose Erzählungen vortragen. Er verband dies mit den ausdrucksstarken, epileptischen Gesten von Ian Curtis von Joy Division und dem Anblick von obdachlosen Süchtigen den sogenannten «Spice Heads» in Manchester Piccadilly, welche aufgrund der Droge in zombieähnlichen Verrenkungen verharrten.
Nach der circa 40-minütigen Show verlässt Blackhaine die Bühne so plötzlich wie er sie betreten hatte und lässt das Publikum in der Schwärze der Nacht in einer fassungslosen, überwältigenden Melancholie zurück.
Foto: Patrick Principe