Gesellschaft Magazin

«Jetzt hoffen wir, dass ein Stein ins Rollen kommt» – Ein Nachtleben für alle. Das erste FE:IN Event im Treibhaus.5 min read

15. Juni 2023 4 min read

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«Jetzt hoffen wir, dass ein Stein ins Rollen kommt» – Ein Nachtleben für alle. Das erste FE:IN Event im Treibhaus.5 min read

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Letzten Samstag fand das erste Event der Reihe «FE:IN – Für ein inklusives Nachtleben» im Treibhaus Luzern statt. Wir durften uns nicht nur zu guter Musik bewegen, neue Menschen kennenlernen und interessante Gespräche führen, sondern uns auch mit Klara und Leo aus der Programmgruppe unterhalten.  

Ein Beitrag von Giulia Ambach

Wenn es für mich passt, dann muss es für alle passen, oder? 

Hast du dich schon einmal gefragt, ob die Bar deines Lieblingslokales zu hoch für manche Personen ist? Wäre es nicht praktischer, wenn es zu all den schriftlichen Getränkekarten, nicht auch eine mit Bildern geben würde? Und ist dir schon mal aufgefallen, dass viele blinkende Lichter sowie Nebel deine Orientierung im Raum beeinflussen können?  

Mit all diese Fragen und noch so vielen mehr hat sich die 13-köpfige Programmgruppe FE:IN die letzten 4 Monate beschäftigt.  

Im Verlauf des Samstagsabends haben sich rund 100 Personen im Treibhaus eingefunden. Ob für ein gemütliches Beisammensein bei einer leckeren Limonade, zum Tanzen, Mitsingen oder gar, um mit den eigenen mitgebrachten Drumsticks im Takt der Musik mitzuspielen. Von Pop, zu Hip-Hop bis zu Techno hatte es alles mit dabei.  

Zum erhöhten Loungebereich wurde eine provisorische Rampe aufgebaut, die Garderobe kurzerhand zu einer Bar uminstalliert, die gesamte Ausschilderung wo sich was befindet, wurde mittels Piktogrammen sichtbarer gemacht, wie auch die Getränkekarte mit solchen ergänzt. Die Tür zum Veranstaltungsraum blieb stets offen und Parkplätze in unmittelbarer Nähe wurden reserviert, für Menschen, die beispielsweise mit einem Rollstuhltaxi anreisen. Was manchen Personen kaum auffällt, ist für andere zwingend notwendig für ein selbstbestimmtes und inklusives Nachtleben. 

«Es ist kein nice to have, sondern ein Grundwert von kultureller Teilhabe, welcher gewährleistet werden muss»  

Einige Stunden vor dem Event erzählten uns Klara und Leo über die Beweggründe hinter dieser Veranstaltungsreihe, was es alles zu beachten gab und dass sie erst am Anfang stehen.  

frachtwerk: Ganz plakativ gefragt: Weshalb braucht es eine solche Veranstaltungsreihe?  

Klara Förster:  Grundsätzlich ist es so, dass es nicht viele inklusive Veranstaltungen in Luzern gibt. Es wäre schön den Stein ins Rollen zu bringen und mit etwas zu beginnen, das es bisher so nicht gegeben hat. Dass man etwas ermöglichen kann, bei dem sich alle wohlfühlen. 

Leonardo Laneve: Es ist mit vielen gesellschaftlichen Themen so: Es braucht am Anfang einen Safer-Space damit man sich gegenseitig Berührungsängste nehmen kann aber auch die Bedürfnisse von anderen Menschen kennenlernen kann.  

Klara: Es können Berührungspunkte geschaffen werden, die sonst im Alltag so nicht gegeben sind.  

frachtwerk: Inwiefern unterscheidet sich die heutige Veranstaltung von anderen im Treibhaus?  

Leo: Der grundsätzliche Unterschied sind Anpassungen zur Barrierefreiheit. Wir haben uns versucht zu überlegen welche weiteren Punkte zu beachten sind. Dementsprechend haben wir auch eine Programmgruppe geründet die inklusiv ist. Somit konnten die Aktivist:innen des Treibhausihre Bedürfnisse direkt äussern. Zudem haben wir auch mit der Stiftung rodtegg zusammengearbeitet.  

Uns war es auch wichtig, dass die Kommunikation so gestaltet wird, dass man weiss, dass es inklusiver ist als sonst. Und ich sage auch bewusst inklusiver denn Inklusion ist ein Prozess und wir sind noch lange nicht am Ziel angelangt.  

frachtwerk: Könnte man sich vorstellen, dass zukünftige Veranstaltungen im Treibhaus nun generell inklusiver sein werden?  

Leo: Die Programmgruppe ist sicherlich ein Anstoss. Das Treibhaus hat auch schon erste Massnahmen umgesetzt. Beispielsweise wurde die Kommunikation auf der Webseite bezüglich der Barrierefreiheit verbessert, und die Infrastruktur im Allgemeinen soll inklusiver werden. Für den Inhalt und die Umsetzung der Veranstaltungen sind jedoch die Programmgruppen zuständig, und es liegt auch bei ihnen, was sie umsetzen und was nicht.  

Das Ziel ist es, dass es unsere Programmgruppe in dem Rahmen irgendwann eigentlich gar nicht mehr geben muss. Natürlich wollen wir weiterhin Veranstaltungen organisieren, aber ohne, dass wir uns gross auf die Stirn schreiben müssen, dass wir inklusiv sind.  

Menschen mit einer Beeinträchtigung sollen wissen, dass auch sie einen Anspruch auf ein Nachtleben haben dürfen. Es geht nicht nur darum, dass es uns wichtig ist und uns am Herzen liegt. Sondern es ist ein Grundrecht und dem müssen wir gerecht werden.   

frachtwerk: In wenigen Stunden findet das erste Event der Reihe FE:IN statt. Wie war das bisherige Feedback? 

Leo: Das Feedback war bisher mega gut. Es gab aber auch schon kritische Stimmen in Bezug auf wie inklusiv wir denn tatsächlich sind und welche Bedürfnisse wir wirklich abdecken können. Und hier betonen wir gerne, dass es ein Prozess ist und dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Aber genau dafür sind wir da, um genau dies ansprechen zu können und die Bedürfnisse, die wir noch nicht abdecken können einzuholen. 

Klara: Das, was wir von unseren Ressourcen und Kapazitäten her machen können, haben wir umgesetzt und natürlich ist das Ziel immer noch mehr zu machen. Wir wissen wir sind nicht perfekt und können auch nicht sagen, dass wir für alle barrierefrei und inklusiv sind, aber wir versuchen es so gut wie wir momentan können.  

frachtwerk: Was sind eure Erwartungen an heute Abend? 

Klara: Ich hoffe natürlich, dass heute Abend alles so funktioniert wie wir es uns vorgestellt haben.  Aber grundsätzlich hoffe ich auf einen Abend, an dem sich alle wohl fühlen und eine schöne Zeit haben, und niemand das Gefühl hat hintenanzustehen und etwas nicht machen zu können. 

Das erste Event der Eventreihe FE:IN – FÜR EIN INKLUSIVES NACHTLEBEN liegt hinter uns. Für Klara und Leo liegt es auf der Hand, dass sie noch am Anfang stehen und dass Inklusion ein Prozess ist. Doch die Stimmen der Besucher:innen am Samstag waren eindeutig. Über die Idee hinter der Eventreihe FE:IN waren sie begeistert. Das Treibhaus sei ein wunderbarer safe space und solche Veranstaltungen sind ideal, um erste Berührungspunkte zu schaffen, auch wenn manche Hemmungen da sind. Aber zum Glück ist es ja eine Veranstaltungsreihe. Wenn du nächstes Mal also auch dabei sein willst, dann behalte den Veranstaltungskalender vom Treibhaus im Blick oder folge ihnen auf Instagram (@feinluzern).  

 

Grafik: Rachel Bösch

 

 

  

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