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“Aber ich bin der Meinung, dass jede Person rappen darf” – Pablo Vögtli im Interview9 min read

30. Juni 2023 6 min read

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“Aber ich bin der Meinung, dass jede Person rappen darf” – Pablo Vögtli im Interview9 min read

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Pablo Vögtli hat sich einen Namen in der hiesigen Rapszene gemacht und ist als SRF-Virus Radiomoderator und Kurator des Bounce Cyphers bekannt. Am diesjährigen Tonfest konnte frachtwerk mit ihm als öffentliche Person und Frontmann der Band Bugfast ein Interview führen.

frachtwerk: Wie seid ihr auf den Namen Bugfast gekommen?

Pablo Vögtli: Das ist lustig, denn das ist eigentlich mein wortkarger Bandchef Michi, der auf diesen Namen gekommen ist. Ich habe keine Ahnung. Ich weiss, dass es in Irland ein Getränk gibt, das Buckfast heisst, das hat nichts mit dem zu tun, das ist irgend so eine Bier-Alk-Mischung.
Ich bin dazugekommen, als es den Namen schon gegeben hat. Und irgendwie haben es Bandnamen an sich, dass man mit der Zeit fast die Bedeutung vergisst, dass es schneller Käfer heisst. Für mich muss man einfach irgendeinen Namen haben und das ist jetzt unserer. Es ist jetzt nicht sinnesschwanger oder so. Ich habe schon mal den Witz gemacht «We bug fast but we fuck slow», also wir drehen schnell durch, aber bumsen langsam, aber das ist nur ein dummer Spruch.

frachtwerk: Ihr habt bisher nur Singles veröffentlicht. Wann kommt euer erstes Album raus?

Pablo Vögtli: Vielleicht innerhalb der nächsten 12 Monate. Wir hauen einfach mal Song nach Song raus, mal schauen wie es ankommt. Es sind alles Songs, die wir in den letzten fünf Jahren geschrieben haben. Und wir sind gleichzeitig an neuem Material am Arbeiten. Es ist recht ein Underground-Projekt für uns alle, einfach so ein Liebesding und darum haben wir nicht den krassesten, stringentesten Release-Promo-Plan aller Zeiten gehabt. Gigs spielen, und vielleicht wenn wir etwas mehr Aufmerksamkeit haben, mal ein Album droppen. Ich habe auch das Gefühl, dass wir bei dieser Art von Sound zuerst eine Hörerschaft in der Schweiz finden müssen zum Beispiel. Es ist etwas nischig, nicht mega Mainstream-Hip-Hop-tauglich.

«Für Metal-Crowds sind wir eine Rap-Band und für Rap-Crowds sind wir eine Metal-Band.»

frachtwerk: Ihr seid ja nun auch nicht Headliner am Frauenfeld. Was ist euer Ziel?

Pablo Vögtli: Nein, das Ziel ist Wacken. Wie soll ich sagen, für Metal-Crowds sind wir eine Rap-Band und für Rap-Crowds sind wir eine Metal-Band. Aber bei den Metal-Crowds finden es die Leute etwas geiler. Rap ist etwas konservativer, was so Soundbilder anbelangt. Aber in den letzten zwei, drei Jahren muss man sagen, dass es auch im Rap so Tendenzen gibt wie Playboi Carti, der eine ganze Show an einem Frauenfeld mit einem Metal-Gitarristen macht und nur noch schreit. Das Bedürfnis nach dem ist wieder da. Wir spielen einfach da, wo wir gebucht werden. Wir spielen gerne überall, aber ich persönlich habe als Goal Wacken, – das wäre schon krank. Kennst du das Wacken?

frachtwerk: Nein.

Pablo Vögtli: Wacken ist das Frauenfeld von Metal in Deutschland. Es ist glaub das grösste oder eins der grössten Metal-Festivals auf der Welt und es ist so eins, in einem kleinen Dorf, das Wacken heisst und die haben 300 Einwohner. Und es ist jedes Jahr dort hat irgend 80000 Metalheads da und ist immer megafriedlich. Frauenfeld habe ich auch schon gespielt mit Mimiks zusammen, ist auch megageil. Ja, aber mit dieser Band zieht es mich mehr an so Metalorte hin.

frachtwerk: Du bist der Frontmann eurer Band. Was ist die Rolle deiner Bandmitglieder?

«Unser Genre ist Grime, Trap und Boombap gemischt mit Metal, Djent.»

Pablo Vögtli: Sie schreiben die Musik. Ich komme eigentlich hinzu, wenn der Song fertig ist. Die sind alles vollausgebildete Jazz-Musiker, die einfach auch Bock haben, Hip-Hop zu spielen und auch derbere Sachen. Es heisst, sie sind technisch krass versiert, sie sind technisch die so viel krasseren Musiker, als ich es bin. Zum Teil verstehe ich die Rhythmik auch nicht, aber ich kann sie fühlen. Also sie kreieren Songs, zeigen sie mir dann. Ich liefere ihnen durchaus Inputs. Ich meine, sie haben nicht gewusst, was Drill ist, was Trap ist. Für sie hat es im Hip-Hop bei 50Cent aufgehört. Ich habe ihnen Grime gezeigt. Und das ist immer wieder megageil, denn ich habe immer wieder eine Spritze eines kleinen Einflusses und einer Inspiration von aussen und sie verblenden es dann zu dem uniquen Bugfast-Style. Ich würde sagen, unser Genre ist Grime, Trap und Boombap gemischt mit Metal, Djent.

frachtwerk: Wie schaut eure Songproduktion aus?

Pablo Vögtli: Ich komme eigentlich, wenn der Song fertig ist. Ab und zu schicke ich ihnen einfach einen Link und sage: hey, zieht euch mal das Genre rein, vielleicht beeinflusst es euch ja. Und dann schreiben sie Songs rundherum, zeigen sie mir. Dann beginne ich zu schreiben und gehe ins Studio. Eigentlich ähnlich wie bei einem Hip-Hop-Produzent.

frachtwerk: Du bist ja auch SRF Virus-Moderator und Organisator des Bounce Cyphers. Wie möchtest du deine Reichweite für Bugfast nützen?

Pablo Vögtli: Gar nicht, die ist haram  (Anmerk. Redaktion: unrechtmässig). Also das kann ich einfach nicht machen. Ich war da auch schon immer bedacht, keine Vetternwirtschaft zu betreiben. Meine besten Kollegen sind halt der Mimiks und der LCone, das sind megaerfolgreiche Rapper, die ins Studio einzuladen ist wie keine Vetternwirtschaft, aber mein eigener Sound würde ich nie über diese Kanäle pushen, weil das wäre mega unfair allen anderen Kunstschaffenden gegenüber. Und es gibt auch publizistische Leitlinien, die das verbieten. Wenn ich also eine Sendung mache, kann ich nicht einfach einen Song von mir laufen lassen zum Beispiel.

frachtwerk: Was hältst du von der aktuellen Hip-Hop-Szene in der Schweiz?

Pablo Vögtli: Sehr viel, ich finde es recht divers, es gibt viele, die ein hohes Level haben. Ich finde es megaschön, dass Hip-Hop breiter geworden ist, dass wir heute zum Beispiel auch queere Hip-Hop-Artists, non-binäre Hip-Hop-Artists haben. Der Matcho-Rap gibt es immer noch, aber dass es ein breiterer Fächer geworden ist.
Ich finde, dass dumm gesagt die alte Schule zum Hip-Hop-Lernen, was ins Räumli freestylen, an jedes Freestyle-Battle gehen heisst, zu etwas technisch besserem Rappen geführt hat. Aber der Style, wie es die Jungen heute lernen, alleine zu Hause, gehst in den Inter Discount, kaufst ein Mikrofon für 300.- und ein Equalizer und bist gut so, kannst etwas mischen. Das führt zu etwas kreativerem Sound, der etwas weniger technisch versiert ist. Da hast du die beiden Bubbles. So würde ich etwa die Entwicklung beschreiben jetzt gerade. Und dann gibt es megaviele Orte in der Schweiz, wo so Hotspots sind. Bern ist ein solcher Hotspot, wo immer wieder krasse Acts rauskommen. Und Genf halt. Da könnte ich jetzt eine Stunde darüber philosophieren, wo es überall krass ist.

frachtwerk: Was ist deine Rolle und deinen Einfluss in diesem Hip-Hop-Kuchen?

Pablo Vögtli: Ich kuratiere den Cypher einmal im Jahr, ich lade die Leute ein in Absprache mit so Talent Scouts einer Art. Ich habe in jeder Stadt so drei, vier Connects, die mir helfen, denn es gibt zu viele MCs, dass ich den Überblick behalten könnte. Aber den Cypher kuratiere ich alleine. Ich mache einmal in der Woche eine Radiosendung auf Virus, die Bounce heisst und einmal in der Woche eine Youtube-Show, die auch Bounce heisst. Das ist es. Mein Einfluss würde ich als begrenzt beschreiben. Wir versuchen halt unsere Plattform möglichst gut zu nutzen und möglichst vielen Artists und der besten Auswahl an Artists eine Stimme oder Plattform zu geben. That’s it.

frachtwerk: Es wurden auch schon Stimmen laut, dass du als weisser Typ ein öffentliches Gesicht für den Schweizer Hip-Hop bist. Wie siehst du das, wenn dies kritisiert wird?

Pablo Vögtli: Hey, ein absolut legitimer Punkt. Wenn man summa summarum alle Hip-Hop-Schaffende in der Schweiz anschaut, sind die meisten weiss. Das ist einfach so. Summa summarum sind auch die meisten Leute da weiss. Und es hat auch proportional nicht so viele PoCs wie in den Staaten zum Beispiel. Und wenn man sagt, die Kultur ist von den Schwarzen gekommen, was stimmt, wurde sie halt an megavielen Orten auf der Welt übernommen.
Und ich mache es halt nach dem Eminem-Prinzip. Wenn du als White Boy hier rumläufst, dann bitte vorsichtig und respektvoll und immer im Bewusstsein darüber, woher die Kultur kommt. Dass man sich als Weisser auch Mühe gibt, nicht Sachen zu appropriaten (Anmerk. Redaktion: sich aneignen), die einem nicht zustehen. Aber ich persönlich bin der Meinung, dass jede Person rappen darf. Rap ist eine offene Kunstform geworden, spätestens in dem Moment, als es zum weltweiten Mainstream worden ist. Und jetzt kann Rap Pop sein, kann auch Underground, nischig sein, check Bugfast. Aber in dem Moment, wenn eine Kultur fast zum Weltgut wird, finde ich, dürfen alle daran partizipieren im respektvollen Rahmen.

«Wut und Wut finde ich langweilig, ich finde Wut und Humor lustig.»

frachtwerk: Hier noch um den Kreis zu schliessen: Wie würdest du das Projekt Bugfast beschreiben, was ist die Mission?

Pablo Vögtli: Die Mission, wir wollen einfach musikalisch etwas sein, das es nicht schon gibt. Wir wollen etwas Einzigartiges sein mit unserem Amalgam, unserem Genre-Mix. Wir wollen möglichst geilen Sound spielen. Das ist so eine Balance zwischen recht technisch ausgeklügeltem Groove-Shit und ganz einfachen Punchlines. Ich rappe recht viel Gugus, recht viel lustigen Battle-Rap. Ich glaube, wir haben einen Song, der wirklich um etwas geht. Wo ich für die ganze Menschheit rappe und beschreibe, wie wir uns gegenüber unserem Planeten verhalten und ich bin halt ein sehr unhöflicher Hausgast und komme rein und zünde schon mal die Hütte an und scheisse ins Lavabo, so wie sich die Menschen halt gegenüber der Welt und der Natur verhalten.
Ich finde auch, der Sound ist durchaus noch ernst und ich kann dann nicht auch noch reinsteppen mit so megaernsten Themen und megahässig. Wut und Wut finde ich langweilig, ich finde Wut und Humor lustig. Ich finde kitschiger Sound megageil wie R’n’B. Aber dann brauchts etwas Salz auf der Schokolade und so ein Beat, der etwas progressiv ist. Ich denke, das ist das, was mich am meisten flasht, so Kontraste versuchen mitzuerzeugen. Jetzt habe ich einen langen Beschrieb gegeben.

frachtwerk: Danke dir für das Interview.

Hör dir Bugfast an:

 

Bild: Gregory Li

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