Der Geruch von feministischer Revolution – Eine Ausstellung zu Ökofeminismus und weiblicher Selbstbestimmung5 min read
Reading Time: 4 minutes«Spells of Rebirth» heisst die Ausstellung der drei Künsterinnen Brikena Buqaj, Maksim Klopfstein und Laura Jana Luterbach in der Galerie Kriens. Das Ensemble dreier ökofeministischer Positionen findet im Rahmen ihrer Kunst und Vermittlung Abschlussarbeiten an der Hochschule Luzern statt. Die Ausstellung verbindet die Unterdrückung und Ausbeutung der Frauen mit derjenigen unserer Erde und beschäftigt sich mit Fragen der Sexualität, Reproduktion, Natürlichkeit, Freiheit und Selbstbestimmung.
Text von Stefanie Bumbacher
Es ist ein warmer Vormittag und ich mache mich auf Richtung Galerie Kriens. Vor der Halle treffe ich Brikena Buqaj und Laura Jana Luterbach bei ihrem Morgenkaffee. Sie begrüssen mich beide herzlich, erwähnen auch, dass sie noch ein wenig müde vom langen gestrigen Abend in der Galerie sind. Es fand nämlich ein Live Konzert der «Interstellar supercops» statt und die Gäste und Künstler:innen tanzten und feierten in den frühen Morgen hinein.
Da ich die Ausstellung ausserhalb der Öffnungszeiten besuchte, hatte ich das Glück, durch die Galerie geführt zu werden und die Gedanken, Fragen und Geschichten hinter den Werken erfahren zu dürfen. Die Werke der drei Künstler:innen pendeln zwischen Dystopie und Utopie, Selbstbestimmung und Kontrolle, Leid und Freiheit und Mythen und Realität. Geleitet von diesen Dichotomien verwickelten wir uns in spannende Gespräche über Reproduktion, die Erwartungen an Frauen, Sexualität und die Power von weiblichen Freundschaften. Wenn Brikena und Laura über ihre Kunst erzählen, verspürt man eine Energie, die die Ungerechtigkeiten und Folgen des Patriarchatparadigmas zu überwältigen versucht. Diese Motivation steckt auch mich an, denn auch ich bin geprägt von dieser Realität und frage mich, wieso ich als Mensch in einem weiblichen Körper gewissen Lasten ausgesetzt bin und wie wir aus diesem System ausbrechen können. Die Ausstellung gibt mir darauf zwar «keine anmassenden Antworten, jedoch kraftvolle Vorschläge», wie Laura es im Saaltext beschreibt.
Was ist ein Körper? Was ist natürlich? Wie sieht Selbstbestimmung aus? Fragen wie diese prägen die Installationen und Skulpturen von Brikena, in welchen sie sich stark auf mythische Figuren und Symbole stützt. «Smell of melting flesh and baby powder» hinterfragt Kategorien und Rollen, welche uns aufgesetzt werden. Es thematisiert speziell die Rolle und Natur der Mutter. Die Installation besteht aus Gewebesäcke in Form von Torsos, die gefüllt sind mit Weizen, Lorbeerblätter und Mandeln. Die Körper-Säcke sehen echter Haut sehr ähnlich, denn sie sind aus Bioplastik, der aus tierischer Gelatine hergestellt wird. Beim Ertasten der falschen Hautpräparaten war ich erschrocken und fand es schon etwas eklig, weil das Material sehr an etwas Echtes und Lebendiges erinnert. Vor vier Jahren hat Brikena angefangen, diesen Bioplastik selbst mit Abfallprodukten der Fleischproduktion herzustellen. In Zukunft möchte sie aber gerne versuchen, dieses Material aus ganzheitlich pflanzlichen Stoffen zu produzieren. Brikena erzählte mir, was für eine Herausforderung die Arbeit mit dem Matieral darstellt, da es sehr langsam trocknet und richtig gelagert werden muss, damit es nicht anfängt zu schimmeln. Der Titel des Werks «Smell of melting flesh and baby powder» widerspiegelt die Arbeit der Künstlerin mit dem selbsthergestellten Bioplastik. Es deutet auf den Geruch während des Herstellungsprozesses der Installationen hin.
Wenn man weiter durch die Galerie läuft, stösst man auf die Werke von Maksim Klopfstein. Die Bilder, meistens Öl auf Leinwand, senden die Betrachter:innen in eine feministische Surrealität. Die überwiegend braunen und grünen Farbtöne geben den Bildern etwas Erdiges, etwas Natürliches, doch was darauf zu erkennen ist, wirkt dystopisch und nicht natürlich. Oder doch? Was ist natürlich? Was ist männlich, was weiblich? Maksim malt eine Welt, die losgelöst von Kategorien erscheint. Die Wesen auf den Malereien erinnern an Fabelwesen und mythische Figuren, von denen sich die Künstlerin inspirieren lassen hat. Sie sind gernderless, denn die Sexualität soll nicht im Vodergrund stehen. Da Maksim an diesem Morgen selber nicht vor Ort war, führten mich Brikena und Laura durch ihre Ausstellung und wir begaben uns in eine Diskussion über Sexualität im heutigen Zeitalter und wie Frauen darin positioniert sind. «Frauen sind Sex. Deshalb können sie keine Sexualität haben.», meint Brikena dazu. Über dieses Statement musste ich noch eine Zeit lang nachdenken. Die Gespräche mit den zwei Künstlerinnen öffneten mir die Augen für ökofeministische Perspektiven. Ich finde, es lohnt sich auch jeden Fall über die Konzepte unserer Welt ein wenig nachzudenken. Diese Ausstellung erreicht genau das.
Zum Reflektieren und Neudenken lud auch das Video «My love, it’s time to reconnect» von Laura Jana Luterbach ein. Während 15 Minuten erzählt es vom sich Wiederverbinden mit vielen natürlichen Aspekten unserem menschlichem Dasein wie Freundschaft, Freiheit, Verbundenheit und Selbstbestimmung. Die unterschiedlichen Videosequenzen zeigen fast schon utopisch auf, wie kraftvoll die Verbundenheit unter Frauen sein kann. Da diese feministischen Freundschaften im Patriarchat fehl am Platz sind, wurden sie verwendet und sind zu Konkurrenz und Feindseligkeiten umgewälzt worden. Power through connection, wie Laura es sagt, könnte jedoch eine Antwort dazu sein, wie wir uns von der heutigen Realität trennen und in eine freiere und selbstbestimmtere Zukunft tanzen könnten. Auch ihre anderen Werke beschäftigen sich mit dem Loslösen von aktuellen eingeprägten Mustern und rufen leise (oder im lauten Technosound) zur Revolution auf. «Ich wünsche mir mehr Revolutionäre.», teilt mir Laura mit. Dieser Wunsch zeichnet sich in Ihrer Kunst, indem er die Normen unserer Gesellschaft hinterfragt, manchmal in provokanter und manchmal in ästethischer Weise. Sie zeigt den Betrachter:innen auf einzigartige Art auf, dass das Paradies schon hier und heute zu haben ist.
Alle unterschiedlichen und doch so harmonischen Perspektiven der drei Künstlerinnen zeichnen ein gesamtes Bild der feministischen Selbstbestimmung. Die Werke hallen von weiblicher Kraft, von künstlerischer Leidenschaft und ökofeministischer Revolution. Sie leisten grossartigen Diskussions- und Reflektionsstoff, der Besucher:innen auf einer zwischenmenschlichen Basis in ihren Zauber hüllt. Mich hat die gemeinsame Zeit mit Brikena und Laura mit vielen unterschiedlichen Gedanken geprägt und ich verlasse die Galerie inspiriert, meine eigene feministische Utopie zu gestalten.
Fotos: Kim da Motta