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Wenn die Rinde im Zauberwald bröckelt – «Alles natürlich und so» vom Zirkus Tortellini2 min read

19. August 2023 2 min read

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Wenn die Rinde im Zauberwald bröckelt – «Alles natürlich und so» vom Zirkus Tortellini2 min read

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Wem in einer heissen Industriehalle des Bell-Areals im Hochsommer ein kleines Stück Wald begegnet, hat in der diesjährigen Produktion Alles natürlich und so des Jugendzirkus Tortellini Platz genommen. Das neuste Stück der Tortellinis beschäftigt sich, untermalt von Zirkuseinlagen, mit der Suche nach der echten Natürlichkeit. Es erzählt von einer Gruppe junger Erwachsener, die ihr künstliches Bild von Natürlichkeit erst abschütteln muss, um sich selbst nahezukommen. Auf Baumstämmen sitzend, verfolgt das Publikum diese Suche gespannt.

Im Finsterwald bewegen sich die Jugendlichen zunächst im völligen Einklang mit der Natur. Rund um ein Lagerfeuer frönen sie der Kunst, Geistergeschichten aus dem Wald zu erzählen. Eigentlich völlig klar, dass da das ein oder andere Geräusch das Blut in den Adern gefrieren lässt. Doch das aufgeregte Schleichen durch den Wald birgt einige spannende Erkenntnisse: Rinde fällt von den Bäumen. Seile hängen vom Himmel. Und der einschneidendste Auslöser der sich breitmachenden Panik: Mitten im Wald – eine eingetopfte Pflanze.

Dass der Wald nur eine Kulisse sein soll, die Natur verkörpert, bringt die Figuren aus dem Konzept. Schnell wird klar, dass ihr Verständnis von Natürlichkeit ein künstliches und antrainiertes ist. Doch der Hashtag Yourinnersunshine verblasst, und die Figuren lassen nach und nach ihre Masken fallen. Sie erzählen davon, wie schwierig es ist, sich selbst zu sein. Diskussionen darüber, wer am ehesten in der echten Natur überleben würde, werden von Zirkusdarbietungen unterbrochen. In den Plot der Story werden waghalsige Luftakrobatik, Jonglage, Darbietungen auf dem Einrad und Tanzeinlagen eingebunden. Die Produktion verstrickt Darbietungen und Geschichte gekonnt. So sucht man während eines ohrenbetäubenden Unwetters im Wald zwar vergeblich Regentropfen auf seiner Haut, bestaunt aber gebannt auf die Artist:innen in den Akrobatiktüchern, die sich passend zum Sturm bewegen.

Forest bathing im Bell-Areal

Das Stück «Alles natürlich und so» verbindet Elemente aus Theater, Tanz, Musik und nicht zuletzt aus dem Zirkus. Dass Natur in der heutigen Zeit als Produkt verkauft wird, thematisiert das Stück auf amüsante Art. Daneben lässt es trotzdem Raum für ernsthafte Zwischentöne. Speziell hervorzuheben ist das wunderbare Bühnenbild, das eine schier unmöglich anmutende Aufgabe meistert. Das Publikum wird mitten auf dem industriellen Bell-Areal in eine natürlichere Welt entführt. Oder um es in den Worten des Stücks zu sagen: «Ich gseh de Wald nömm!» – «Also vor luuter bäum oder was?».

Der Jugendzirkus Tortellini führt Alles natürlich und so bis zum 9. September noch ganze neun Mal auf . Tickets gibt es hier. Oder um es in der Sprache von Instagram zu sagen: Forest bathing im Bell-Areal ist noch eine ganze Weile möglich – und das gleichzeitige Bestaunen der Zirkuswelt ist es auch!

Fotos: © Wolf Neidhart

Regie: Valeria Stocker & Alexander Kuen, Musikalische Leitung: Alban Müller,
Szenografie: Noemi Hunkeler

 

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