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«Chinesischer Rap? Warum sollen sich das die Leute anhören?» der deutsche Rapper Scor im Interview7 min read

12. September 2023 5 min read

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«Chinesischer Rap? Warum sollen sich das die Leute anhören?» der deutsche Rapper Scor im Interview7 min read

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Tim Oelrich, besser bekannt als Scor, ist viral gegangen auf Tik Tok und Co. Und zwar mit Videos darüber, warum er Chinesisch spricht oder wie man von eins bis zehn zählt in China. Trotz des anhaltenden Erfolgs auf europäischen wie auch chinesischen Social Media sieht er sich in erster Linie als Rapper. Wir treffen ihn zum Gespräch.

frachtwerk: Scor, was treibt dich in die Schweiz?

Scor: In der Schweiz bin ich privat. Meine Freundin ist Schweizerin.

frachtwerk: Du verbindest ja mit deiner Arbeit als Rapper und Tik-Tok-Star China und Deutschland. Wie fühlst du dich in dieser Rolle und inwiefern denkst du, kannst du den Leuten damit Welten eröffnen?

Scor: Ich fühl mich auf jeden Fall wohl damit, weil es grösstenteils positiv wahrgenommen wird von dem deutschsprachigen Publikum. Auch wenn ich in die Kommentare und in die Nachrichten, die mir zugesandt werden schaue, sind superviele dabei, die sagen, dass sie jetzt viel aufgeschlossener gegenüber China, der Kultur und der Sprache sind. Viele schreiben mir «ey, ich will jetzt hinreisen», «ich habe jetzt die Sprache angefangen zu lernen wegen dir». Ich sehe darin, dass es einen Einfluss macht und finde es cool.

frachtwerk: Was macht es mit dir Berühmtheit erlangt zu haben?

Scor: Gar nicht so viel. Also aus der einen Perspektive ist es ein bisschen unverständlich und komisch, weil man ist ja immer noch sich selbst. Aber die anderen nehmen einen ja dann anders war. Ich habs in China aktiver wahrnehmen können, wie sich das Bild von mir geändert hat. Du warst plötzlich wie so ein Star in den Augen der Leuten. Und dann gab es nicht mehr diese coolen freundschaftlichen Unterhaltungen, sondern die Leute sind nur gekommen «Ey, du bist aus «Rap for Youth», darf ich ein Foto haben?». Machst ein Foto und bist schnell weg. In Deutschland haben in «Tik Toker» einen sehr hohen Status bei den jungen Leuten, die nehmen das irgendwie sehr ernst. Begegnungen mit älteren Leute, die mich von YouTube kennen, empfinde ich als angenehmer. Die kommen dann casual so «Ey, was geht, ich kenn dich willkommen in Deutschland, schöne Videos». Und verpissen sich wieder. Aber ja, das passiert dann halt, man gewöhnt sich dran. Und es ist schön. Vor allem jetzt, es in Deutschland zu haben, fühlt sich so an, als hätt ich im ganzen Land Freunde. Also wobei da auch die Angst ist, dass dies auch überhand nimmt. Noch gehts finde ich.

«Es fühlt sich so an, als hätt ich im ganzen Land Freunde»

frachtwerk: Was sind die Vorzüge in China respektive Deutschland, was Shows, Fankultur, Rap angeht?

Scor: Kompliziert formulierte Frage (lacht). Also in Deutschland kannst du mit der Musik einfacher auf Social Media viral gehen, würd ich sagen im Vergleich zu China. Beziehungsweise hast du da mehr Einfluss am Ende. Während in China das eher in Casting-Sendungen stattfindet. Es gibt da keine zentrale Plattform für Musikvideos – es wird auf über zehn Plattformen verteilt. Es ist ganz konfus und es lohnt sich da nicht, Budgets für Musikvideos anzusetzen. Und das reizt mich am deutschen Markt.

Und sonst, ich hab auf Hip-Hop-Events die Stimmung in China immer angenehmer wahrgenommen. Weiss nicht, ob sich das in Deutschland mittlerweile zum Besseren gewendet hat, aber früher fand ich auf Hip-Hop-Events die Stimmung immer sehr dunkel, nicht sehr willkommenheissend. Also man hat sich eher ausgeschlossen gefühlt, wenn man da reingeht und keinen kennt. Da waren zum Beispiel so Rock- und Metal-Events immer freundlicher, obwohl ich die Musik nicht feiere, aber hab mich wohler gefühlt. In China auf Hip-Hop-Events war dies aber anders. Da wars so, wie ich eigentlich wollte. Und das hab ich das erste Mal vor zehn Jahren miterlebt, dass ich auf so einem Hip-Hop-Jam war und merkte, die Stimmung war einfach cool und angenehm. Und die Leute waren einfach da für den Hip-Hop. Ja, und vielleicht hat man sich da in Deutschland zu weit von entfernt,– ich weiss es nicht. Vielleicht hat sich was geändert.  So wie man es sich eigentlich wünscht von Hip-Hop, der eigentlich tolerant ist. Dass sich keiner ausgeschlossen fühlt. Das ist der Vorteil in China.

«Ich hab auf Hip-Hop-Events die Stimmung in China immer angenehmer wahrgenommen»

frachtwerk: Rap ist immer auch eine Art von Ausdruck. Hat sich deine Art von Ausdruck im Rap über die Jahre seit deinem Beginn bis jetzt verändert?

Scor: Ja, also doch. Ausdruck, also was das angeht, bin ich noch alte Schule. Ich nimm mir sehr viel Zeit dabei, meine Texte zu schreiben. Was ja die meisten, die ähnliche Rapstile haben, nicht machen. Also wer in Richtung Trap, Drill geht, da scheissen die meisten auf ihre Texte. Sind ja meist die Boom-Bapper, die sich mehr Mühe geben,– inhaltlich. Ich mag aber beides. Ich mag bei Boombap, Old-School Sachen inhaltliche Texte. Bei Trap, Drill mag ich, wie es sich anfühlt und ich versuche das zu mischen. Mal gelingts besser, mal schlechter. Rap wir halt krass komemerzialisiert und erhält dadurch ein grosses Pop-Publikum, denen die Texte gar nicht so wichtig sind. Dann geht der Inhalt halt verloren und die Leute wissen gar nicht mehr woher Hip-Hop überhaupt kommt.

frachtwerk: Wie ist es bei dir, du musst ja wohl auch Kommerz machen, um zu überleben?

Scor: Ne, ich mach kein Kommerz. Das ist ja eigentlich so mein Problem, dass ich irgendwann so an einen Punkt gekommen bin, wo ich mein Wachstum nicht mehr steigern konnte mit der Musik in China. Auch weil du an einen Punkt kommst, da musst du Kommerz gehen. Ansonst hast du den Bottle-neck erreicht. Meine Musik war auch immer sehr kontrovers in China und mit kontrovers kommst du nicht weit in dem Land. Weil Kontroverses wird gesperrt von den Plattformen.

Aber ich wollt nicht nur den Kommerz-Scheiss machen. Das ist so das Problem, auf was ich gestossen bin. In Deutschland auch ein Stück weit, aber ja hier gehts dann noch ein bisschen anders. Also mit kontroversen Sachen und Nischen-Sachen kommst du weiter, weil die Plattformen liberaler damit sind. Du kannst damit Reichweite bekommen, während in China dir direkt die Reichweite genommen wird, wenn du kontrovers bist inhaltlich. Es ist oftmals nicht mal ein Problem der Regierung, sondern einfach die Plattformen selbst, die oftmals viel strikter sind als hier – mit ihren Richtlinien.

frachtwerk: Hast du vor eine Tour zu starten, irgendwo in der Schweiz, Deutschland, China?

Scor: Ich hab zwei Singles im Rohr, die dieses Jahr noch kommen sollten. Da mich die meisten noch eher als Influenzier wahrnehmen, müssen wir mal abwarten wie die Singles so ankommen und wenn das funktioniert, würd ich liebend gern ne D A CH-Tour realisieren. Und da wär natürlich auch die Schweiz dabei – unbedingt. Aber ich kanns natürlich nicht zum jetztigen Zeitpunkt versprechen. Kannst ja nicht einfach ne Tour planen und dann,-  jetzt wüsst ich nicht mal ob überhaupt jemand ein Ticket kauft. Warum denn mit chinesischem Rap, warum sollen sich die Leute das ansehen ist ja die Frage. Aber wenn ich die Songs draussen hab, die eben auch mehr Deutsche und Schweizer fühlen, weil auch bisschen mehr deutsch eingebaut ist. Ja, wenn das funktioniert, hätt ich richtig Bock drauf.

frachtwerk: Wie wirst du dich weiterentwickeln können sonst noch? Wirst du noch anderes als Rap machen?

Scor: Durch den deutschen Markt sind halt diese Kulturvideos dazugekommen, die ich auch weiter am Expandieren bin. Im letzten halben Jahr sind die langen Vlogs auf Youtube dazugekommen. Das funktioniert auch sehr gut, macht mir auch viel Spass. Ist aber sehr viel Arbeit. Sie werden auch immer aufwendiger. Vielleicht kommt dann eine ganze Dokumentation, wenn ich einen guten Partner hab. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass ich die Musik, die ich in China mach, nach Europa bringe. Ich hab ein Schweizer Partner tatsächlich, mit dem ich die Musik mache und ein Label zusammen gründe. Das Ziel ist natürlich, mich als Künstler aufzubauen und möglichst in Zukunft auch andere chinesische Künstler:innen hierher holen zu können, die auf den Markt passen. Es gibt zum Beispiel viele uigurische Künstler:innen, die können oft sehr gut Englisch. Die haben auch oft nicht so den Zugang zum europäischen Markt, da könnte man andersrum wenns Deutsche oder auch Schweizer Künstler:innen gibt, die einen guten Platz in China finden könnten,– denen könnte man auch helfen. Das ist so die Vision, was die Musik angeht, wie ich mich weiterentwickeln möchte – mit dem Label.

Hier gehts zur Hörprobe der chinesisch gerappten Musik von Scor:

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