Sechs n Halb Fragen an: Joachim B. Schmidt – Kalmann ist wieder da!!!4 min read
Reading Time: 4 minutesKalmann und der schlafende Berg heisst die Fortsetzung des Bündner Autoren Joachim B. Schmidt. In seiner Wahlheimat Island, spielen auch Teile des neuen Werkes, aber wieso ist Kalmann denn plötzlich in den USA gelandet? Und was zur Hölle macht er denn im Verhörraum des FBI?
frachtwerk: Wann war dir klar, dass Kalmann wieder in die Welt darf? Nach dem Vorschuss von Diogenes oder gab es einen bestimmten Moment?
Joachim B. Schmidt: Tatsächlich hatte ich nicht vor, eine Fortsetzung zu schreiben. «Kalmann» ist ein in sich geschlossenes Buch, eine runde Sache. Und Schmiergeld gab’s auch nicht! Aber dann setzte ich mich in einem leichten Anflug von Nostalgie an den Laptop und besuchte Kalmann und seinen Großvater im Heim, schrieb eine kleine Szene. Da fiel der Alte prompt aus seinem Rollstuhl und begann Russisch zu reden! Es war eine verrückte Begegnung, die ich sehr genoss, ich musste lachen und heulen, realisierte dabei, dass noch weitere Geschichten in diesen Figuren stecken. Aber ein Plot fehlte mir noch. Das änderte sich am 6. Januar 2021, als das Kapitol in Washington D.C. gestürmt wurde. In den isländischen Medien wurde eine Handy-Aufnahme gezeigt, auf der ein junger Mann zu sehen war, der eine kleine Island-Fahne im Rucksack stecken hatte und verwirrt im Getümmel rumstand. Seine Identität konnte nicht herausgefunden werden, aber ich wusste sofort, wer das war und brüllte sogar den Fernseher an: Kalmann, was zum Teufel machst du denn da! The rest is history.
frachtwerk: Du hast die Promophase und erste Lesungen hinter dir. Dazu noch die überwältigende Frankfurter Buchmesse. Was kannst du uns darüber erzählen?
Joachim B. Schmidt: Es hat alles wunderbar geklappt, die Lesungen sind gut besucht gewesen, das Wetter war apokalyptisch angenehm warm, sogar die Deutsche Bahn war manchmal fast pünktlich! Aber wenn man schon seit Jahren auf einer menschenarmen Insel lebt, wird man an der Frankfurter Buchmesse von den Menschenmassen fast erschlagen! Darum bin ich froh, wieder in Island zu sein, wo einem die Vulkane so schön klarmachen, wie klein wir Menschlein sind.
frachtwerk: Wie reagierten denn die Leser:innen auf den zweiten Teil ?
Joachim B. Schmidt: Die Reaktionen der Leserschaft und auch die Rezensionen sind mehrheitlich überaus positiv. Eine Wiederbegegnung mit Kalmann freut fast alle. Aber es gibt auch negative, enttäuschte, oder verwirrte Stimmen. «Kalmann und der schlafende Berg» ist schwer zu kategorisieren. Dass Kalmann in seinem zweiten Abenteuer seine Komfortzone verlässt und sogar zwischen die Fronten gerät eines längst tot geglaubten Kalten Krieges, mögen nicht alle. Sie hätten sich gewünscht, dass Kalmann seinen Mikrokosmos des ersten Buches nicht verlässt. Zugleich ist «Kalmann und der schlafende Berg» eine Charakterstudie und nicht in erster Linie ein Krimi. Es geht um Abschied, Verlust, Kalmanns Suche nach einer Vaterfigur. Kurzum, das Buch ist schwierig einzuordnen. Man muss ihm mit Offenheit und etwas Geduld begegnen.
frachtwerk: Neben dem etwas debil, aber herzig-naiven Kalmann, gibt es ja auch im zweiten Teil einige Charaktere, die wieder mit von der Partie sind. Da hätten wir seinen Gamer-Kumpel Nói, der immer ne dicke Lippe riskiert, Slang redet und aus Tarantino Filmen rezitiert. Welche:n deiner Nebendarsteller:innen hast du am liebsten und warum?
Joachim B. Schmidt: Nói mag ich sehr. Schön, dass du ihn erwähnst. Aber die wichtigste und mir wohl auch liebste Nebenrolle in dieser Geschichte hat Kalmanns Mutter. Ich fand es wichtig, dass sie eine grössere Rolle bekommt als im ersten Buch, dass wir erfahren und erleben, wie sehr sie sich für Kalmann aufopfert, sich schon seit über 30 Jahren um ihn kümmert, fast unermüdlich, von ihm aber wenig Dankbarkeit erfährt. Ihre Leistung ist heldenhaft. «Kalmann und der schlafende Berg» ist auch eine Verneigung vor den Eltern kognitiv beeinträchtigter Kinder.
frachtwerk: K2 ist nun dein sechstes Buch, dazu hast du noch einige Kurzgeschichten veröffentlicht und es erscheinen auch immer wieder Artikel von dir, in unterschiedlichen Zeitungen. Wie würdest du deine eigene Entwicklung beschreiben bzw. wie schnell erarbeitest du mittlerweile ein Buch? Als Aussenstehende nehmen wir an, dass es bei einer Fortsetzung wie dieser ja noch schneller ging als bei einem neuen Werk.
Joachim B. Schmidt: Ja, das Schreiben fällt mir mit der Übung leichter, und wenn ich die Charaktere schon erarbeitet habe, spare ich sogar Zeit, das stimmt. Aber zugleich möchte ich mein Schreiben verbessern, mein Können steigern. Ich habe höhere Ansprüche an mich, was das Sprachliche und Stilistische angeht zum Beispiel. Darum verbringe ich eigentlich immer etwa gleich viel Zeit an meinen Büchern, grob berechnet zwei Jahre, überarbeite und überarbeite, bis ich vollends zufrieden bin.
frachtwerk: 6nHalbste: Halbherzigkeit ist für mich …?
Joachim B. Schmidt: Halbherzigkeit ist manchmal gar nicht ganz so schlecht. Man hat ja nur ein Herz. Zwar stecke ich viel Herzblut in meine Bücher, aber eigentlich bin ich ein halbherziger Schriftsteller, denn es gibt ja noch andere Dinge im Leben, vor allem Menschen, denen ich auch ein wenig Herz schenken will. Wohl darum brauche ich zwei Jahre, um ein simples Buch zu schreiben.