Magazin

Eintauchen in die Welt der Grafik von Morgen5 min read

4. Januar 2024 4 min read

Autor:in:

Array

Eintauchen in die Welt der Grafik von Morgen5 min read

Reading Time: 4 minutes

Im Neubad in Luzern verfolgten am Samstag, dem 18. November, über 300 Besucher:innen die Preisverleihung des Preises der «Jungen Grafik» für Grafiker:innen in Ausbildung.  Für die Jury war die Auswahl von 30 Gewinnerprojekten aus 248 Einsendungen eine Herausforderung. Für junge Grafiker:innen aus der ganzen Schweiz bot d er Event zum zweiten Mal nach 2021 eine Chance, sich über Sprachgrenzen und Generationen hinaus zu vernetzen.   

Von Fiona Odermatt

Fünf Minuten nach acht, bald beginnt die Preisverleihung. Die weissen Fliesen des leeren Schwimmbeckens werden von einer von innen beleuchteten Wasserrutsche in blaues Licht getaucht,  vor den grossen Fenstern ist alles dunkel. «Pet Owner» ist schon dabei, den Abend mit sanftem Indie-Pop zu begleiten, die Stimmung  ist ausgelassen und familiär. Leute sitzen, stehen und gehen in flexiblen Grüppchen umher und plaudern angeregt. Bisschen fühle ich mich wie in einem gut beleuchteten und belebten Winkelchen  der Tiefsee. Weiterhin kommen Besucher:innen die Treppe hoch. Manche eilen noch  zum Apéro-Buffet, das gerade abgebaut wird, um sich rasch eine Dattel, Brot und Frischkäse oder ein, zwei Marshmallows zu holen. Die meisten sitzen schon auf Ihren Plätzen, während hinter den letzten Reihen weitere Stühle angefügt werden. Genug Sitzplätze für alle finden sich nicht, dafür bieten die Stehplätze oben am Beckenrand, einen exzellenten Überblick. Die vom SRF bekannte  Monika Schärer moderiert an, der Höhepunkt des Abends beginnt.

Eine gute Gelegenheit
Der Verein «Junge Grafik»  richtet wohl einen von wenigen – wenn nicht den einzigen – Schweizer Wettbewerb aus, der sich an Grafiker:innen in Ausbildung richtet. Teilnehmen kann, wer in Ausbildung ist, egal ob an einer Hochschule oder in der Lehre, Masterstudiengänge sind nicht zugelassen.

Die Preisverleihung ist eine Möglichkeit, vielleicht zum ersten Mal, vor einer grösseren Gruppe Menschen, darunter  Expert:innen und Branchengrößen, über die im Rahmen der Ausbildung entstandenen Projekte zu sprechen. Eine solche Chance, sagt Grafikdesignerin Eleonora Bonorva aus dem Organisationsteam, hätte sie sich während ihrer Ausbildung manchmal gewünscht. In die Projekte, die Grafiker:innen im Rahmen ihrer Ausbildung realisieren, investieren sie viel. Eigene Erlebnisse, persönliche Interessen und Ansichten fliessen in Themenfindung und Ausführung. Zeit für Recherchen und Experimente, Nerven für  Aufs und Abs, Perfektionismus im letzten Schliff, Unmengen von Reflexion. Ist die Arbeit fertig, erinnert sich Eleonora Bonorva, fehlte während der Ausbildung häufig die Gelegenheit, den Projekten durch Erklärung der Hintergründe und  einem ausführlichen Feedback wirklich gerecht zu werden. Eine solche bietet die Junge Grafik ihren Teilnehmer:innen.

Hintergründe im Vordergrund
Um den kreativen Prozess aus dem Schatten der fertigen Arbeit zu holen, stellt Monika Schärer den Gewinner:innen in kleinen Gruppen Fragen zu ihrer Motivation, ihren Überlegungen und Arbeitsweisen. Gesprochen wurde auch über die aktuellen gesellschaftlichen Themen, die von verschiedenen Arbeiten aufgegriffen wurden. Über den Klimawandel und die Ökologie, die Gleichstellung der Geschlechter und den Umgang mit künstlicher Intelligenz in kreativen Prozessen. Die Arbeiten decken eine Vielzahl von Themen, Techniken und Medien ab. Nicht alle befassen sich mit gegenwärtigen Fragen und zukünftigen Problemen, manche führen die Vergangenheit vor Augen. So gibt es Arbeiten über den Vietnamkrieg, weibliche Körperideale im Laufe der Zeit, die Pinochet-Diktatur in Chile und die Hochzeit des norwegischen Black Metals in den 80er Jahren. Interessant ist auch, dass trotz der breiten KI Debatte und immer weiteren digitalen Möglichkeiten ein Grossteil der eingereichten Arbeiten analog sind. Eingereicht wurde nebst Büchern, Broschüren, Mappen und Plakaten auch ein Memory Spiel.  Die Lust am Spiel mit der Haptik und verschiedenen Materialien scheint trotz  Omnipräsenz der immer zahlreicher werdenden digitalen Möglichkeiten zu bestehen – oder gerade deswegen?

Networking – quer durch die Schweiz
Ziel der Auszeichnung  ist unter anderem die Vernetzung von Generationen und Sprachregionen. Die Moderatorin spricht  mehrheitlich englisch, aber auch deutsch und Spuren von Italienisch, einige Projekte werden französisch besprochen. Auch verschiedene Generationen treffen hier aufeinander. Neben den Teilnehmer:innen, die sich auf viele Jahrgänge verteilen und den Juror:innen, die sich in der Branche etabliert haben und damit oft älter sind, waren auch  Gewinner:innen der ersten Ausgabe 2021 anwesend.

Das Networking steht, insbesondere beim Apero, vor der Preisverleihung und bei der Party danach, im Vordergrund. Aber auch die Verleihung  an sich ist eine Chance, Agenturen auf sich aufmerksam zu machen. Auch die Goodie Bags mit den Preisen helfen weiter, sie enthalten unter anderem verschiedene Schriftsätze. Anwesend sind neben Leuten aus der Praxis und verschiedenen Ausbildungsbetrieben auch Vertreter:innen der  Berufsverbände für Grafiker:innen in der Schweiz, SGV und SGD.

Beständige Nachwuchsförderung
Die Junge Grafik bietet eine Plattform über einzelne Events hinaus, mit dem Ziel, junge Gestalter:innen zu fördern. Die Arbeiten der Gewinner:innen sollten über den eigentlichen  Event hinaus einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Auf der Webseite der jungen Grafik lassen sich alle Arbeiten weiterhin betrachten. Über die Seite kann man den Gewinner:innen zudem Kontaktanfragen zukommen lassen.(?) Es gibt weiterhin die Möglichkeit, die  Buchpublikation zum Wettbewerb auf der Website zu bestellen. Darin finden sich mehr Details zu den ausgezeichneten Arbeiten, eingebettet in eine narrative Darstellung des gesamten Events. Weiter gibt es eine Videoreihe mit Interviews zu allen 30 ausgezeichneten Arbeiten, die nach und nach auf die Website geladen werden. Die Gespräche werden von den Gewinnern der ersten Auszeichnung 2021 geführt. Sie bieten Raum für  Ausführungen, die in den Gruppeninterviews der Preisverleihung keinen Platz hatten. Das Ziel ist, dass alle zu Wort kommen und ausreden können.

Die Preisverleihung geht langsam dem Ende zu. Die Gewinner:innen mit ihren orange leuchtenden Goodie Bags mischen sich strahlend unter Freunde und Verwandte.

Die nächste Ausgabe des Wettbewerbs wird voraussichtlich 2025 stattfinden.

Fotos: Luis Hartl

Array