Das Basler Kunstfenster «Zur Wand» – Ein interdisziplinärer Safe Space für Kunst und Kultur in Pandemie-Zeiten4 min read
Reading Time: 3 minutesSeit Februar gibt es ein neues Schaufenster der ganz besonderen Art im Kleinbasel. Der Schauraum «Zur Wand» wurde im Februar dieses Jahres an der Andlauerstrasse 2 eröffnet und lädt zur Kunstbetrachtung im Vorbeigehen oder zum Stehenbleiben und Reinschauen ein. Und zum Plaudern mit den anderen Schaulustigen, die sich vornedran versammelt haben, oder mit den Künstler*innen, welche auch meistens da sind und gerne über ihre ausgestellten Werke reden. Mit einem Termin kann man samstags zwischen 12.00 Uhr und 16.00 Uhr auch reingehen und sich die Kunst aus der Nähe anschauen.
Hinter «Zur Wand» steht der unabhängige gemeinnützige Verein «Wie wär’s mal mit» oder wiewaersmalmit.ch zur Kulturförderung in der Schweiz, genauer Ana Brankovic und Felix Dowald. Der Kulturverein ist vor allem nomadisch tätig, das heisst online oder mit verschiedenen Pop-Up-Events. Zuletzt bestand jedoch auch das Bedürfnis nach einem eigenen Lokal, einem offenen Treffpunkt. Dieser musste nicht unbedingt eine Ausstellungslokalität sein. Durch Zufall sind Brankovic und Dowald auf die Immobilienausschreibung an der Andlauerstrasse gestossen: ein kleiner Raum mit grosser Fensterwand im Erdgeschoss, im Kleinbasel, in Rheinnähe. Hier fiel, auf Vereinsrisiko, inmitten einer globalen Pandemie, die Entscheidung, einen «interdisziplinären Safe Space» für Begegnung und lokale Kunstförderung zu begründen. Eine Art Public Viewing Room. Ein Open Call wurde lanciert, der offen gestaltet ist, jede kreative Idee ist willkommen, unabhängig von Alter oder künstlerischen Medien. Literatur, Malerei, Performance und Tanz, alles findet im Schauraum «Zur Wand» Platz, ganz entsprechend dem Anspruch auf Offenheit und Diversität des Vereins.
Das Konzept ist einfach: Vier Wände – vier Menschen. Jede Wand des kleinen Raumes darf von einer kunstschaffenden Person bespielt werden, der Raum wird zur Verfügung gestellt. Kuratorisches Eingreifen in die gestalterische Freiheit der Künstler*innen gibt es vonseiten der Brankovics und Dowalds kaum. Dem Zusammentreffen verschiedener Persönlichkeiten und Medien wird freier Raum gelassen. Die genaue Gestaltung des Raumes wird vor Ort mit den Kunstschaffenden zusammen entschieden. So standen sich zuletzt die Zeichnungen der Künstlerin und Schauspielerin Ilknur Bahadir, die Illustrationen von Dominik Schwarz und die Videoinstallationen der jungen Künstler*innen Melissa Varela und Leander Vettiger gegenüber. Wobei die Werke sich in dem kleinen Raum eigentlich gar nicht wirklich gegenüberstehen können, sondern geradezu ineinander eingreifen und direkt korrespondieren. An manchen Tagen finden dann auch Live-Performances statt, wie zuletzt vom Hiver Collective, von Britta Liv Müller oder Tamara hauser, die ebenfalls mit den ausgestellten Werken in einen Dialog traten. Genau das ist die Absicht von «Zur Wand»: Ein Ort der uneingeschränkten Begegnung von Menschen und Kunst, ein Ineinanderfliessen von Ausstellungsraum und Stadtraum, von Kunst und Öffentlichkeit. «Zur Wand» ist ein Safe Space aber die Trennwand ist zur Stadt hin transparent und lädt die Basler*innen unaufdringlich ein, Kunst in ihrem Alltag zu sehen. Gerade in Pandemiezeiten bietet Zur Wand eine alternative Art der Kunstbetrachtung an: Je nach geltenden Gesundheitsmassnahmen kann man beim abendlichen Spaziergang von der Strasse aus einer Performance zuschauen, samstags zwischen 12.00 Uhr und 16.00 Uhr einen Zeit-Slot buchen um sich im Raum zwischen den Kunstwerken zu bewegen, oder sich vielleicht auch bald wieder in grösseren Mengen in und um den Schauraum versammeln.
Zusätzlich beschlagnahmt jeden Donnerstag und Freitag zwischen 16.00 Uhr und 19.00 Uhr die Kulturklinik den Schauraum «Zur Wand». Die Kulturklinik ist ein Verein, der Kunst- und Kulturschaffenden, welche von den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kulturszene betroffen sind, unter die Arme greift. Dabei wird Kunstschaffenden eine Plattform geboten, auf der sie ihre eigenen Produkte verkaufen können. Die Einnahmen werden unter dem Solidaritätsprinzip zwischen allen Beteiligten aufgeteilt.
Momentan sind im «Zur Wand» eine Wandinstallation von Britta Liv Müller, Fotografien von Zoë Kraft, Malereien von Alba de Zanet und Fotografien von Rrosealéry (Laura Ablancourt-Maynard) ausgestellt. Die aktuelle Ausstellung ist bis Ende Juli zu sehen. Grundsätzlich finden die Ausstellungen im Zweimonatsrhythmus statt, voraussichtlich bis im August.. Ab August ist «Wie wär’s mal mit» in einer neuen Location, im Container-Turm am Basler Hafen anzutreffen. Mensch darf auf jeden Fall gespannt sein, wie der Verein in Zukunft die unabhängige Basler Kulturszene belebt. Genauere Informationen zum Schauraum «Zur Wand» und der aktuellen Ausstellung gibt es unter wiewaersmalmit.ch/zurwand.
Text von Mayra Jenzer