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Musik als Ventil: Milyma im Interview am B-Sides Festival 20236 min read

16. Juni 2023 4 min read

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Musik als Ventil: Milyma im Interview am B-Sides Festival 20236 min read

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Unmittelbar im Anschluss an ihr Konzert, auf dem Sonnenberg am diesjährigen B-Sides Festival, trafen wir uns am Donnerstagabend, in unserem kleinen Zelt mit Milyma. Entdecke die faszinierende, experimentelle Pop/R&B-Sängerin, die mit ihrer einzigartigen musikalischen Vision und künstlerischen Intuition begeistert. 

frachtwerk: Wie fühlst du dich?

Milyma: Ich bin den Auftritt noch am verarbeiten aber es hat mega Spass gemacht. Ich merke auch, dass meine Stimme ein bisschen angeschlagen ist.

frachtwerk: Wie findest du das Publikum und die Atmosphäre hier am B-Sides?

Milyma: Mega schön! Ich war letztes Jahr schon hier als Besucherin und mir ist da schon die gelassene, positive Stimmung aufgefallen. Mir gefällt es, dass es vom Alter her sehr durchmischt ist.

frachtwerk: Welche Bedeutung hat Musik für dich auf einer emotionalen Ebene und wie beeinflusst sie deine Gefühle?

Milyma: Musik ist für mich wie ein Ventil. Ich merke es, wenn ich lange nicht musiziert habe. Es stauen sich Emotionen an und musikalisch gesehen passieren dann auch sehr interessante Sachen. Ich brauche sie um zu verarbeiten und meinen Emotionen freien Lauf zu lassen.

frachtwerk: Wie würdest du deine eigene musikalische Welt beschreiben und welche Elemente sind für dich besonders wichtig?

Milyma: Meine künstlerische Arbeit ist stark von meiner Intuition geprägt. Meine Musik hat eine verträumte und sphärische Qualität, die vom Einsatz von Synthesizern geprägt ist. Das ist mein Element, mit welchem ich am meisten musiziere. Ich denke meine Stärke sind die Harmonien und der Rest fügt sich dann automatisch. 

frachtwerk: Mit was fängst du zuerst an. Synthesizer oder Stimme?

Milyma: Fast immer mit den Synthesizern und ich mag es wenn es dann in einem Flow passiert. Viele Lieder entstanden auch aus einem Moment den ich einfangen wollte. Lyrics schreibe ich meistens ganz am Schluss.

frachtwerk: Mir ist aufgefallen, du singst auf einigen Liedern mit und ohne Autotune. Auf mich wirkt es manchmal wie ein Dialog und als würdest du mit dir selbst interagieren. Kann das sein?

Milyma: Ich habe eine sehr feine, hohe Stimme und der Autotune gibt mir mehr Tiefe und mehr Kraft. Es kann sehr powerful sein. Aber es ist kein Dialog, sondern wie zwei verschiedene Stimmen.

frachtwerk: Was hat dich dazu inspiriert, deine musikalische Karriere zu verfolgen?

Milyma: Da gibt es 3 Schlüsselmomente. Ich hatte sehr lange bis ich meinen eigenen Stil entwickelt habe. Es brauchte auch zuerst eine gewisse Erfahrung, bis ich das Selbstbewusstsein hatte, meine eigene Musik zu produzieren. Der Grund dass ich mir meinen ersten Synthesizer kaufte, war ein Live-Konzert von James Blake. Ich war so inspiriert vom Sound dieser Synthis. Das ist schon 10 Jahre her und ich spielte damals schon Klavier aber dachte niemals, dass ich jetzt Produzentin werde. FKA Twigs ist für mich auch eine grosse Inspiration. Und zu sehen, dass auch nicht-mainstream Musik ankommt und einen Platz in dieser Welt hat. Dazu gehört auch Kelela.

frachtwerk: Wie hat das Tanzen deine musikalische Entwicklung beeinflusst?

Milyma: Das Tanzen hat mein Interesse an der Musik sehr geweckt und vertieft. Ich weiss noch als ich angefangen habe zu tanzen, habe ich viel Musik gesucht und gehört. Ich habe da sehr viel Hip Hop gehört, mit aber eher experimentelleren Instrumentals. So Flying Lotus mässig. Das widerspiegelt sich auch in meiner Musik und war auch eine grosse Inspiration. 

frachtwerk: Welche Rolle spielt die Selbstdarstellung und Authentizität in deiner Musik und wie versuchst du, deine Persönlichkeit durch deine Kunst auszudrücken?

Milyma: Ich bin es noch am herausfinden. Aber Musikvideos sind für mich ein grosser Teil. Bei gewissen Liedern kommen mir gleich Bilder in den Kopf, mit Outfits und Stimmungen. Da kann man den Prozess auch sehr gut kontrollieren. Hingegen bei Liveauftritten auf der Bühne bin ich es noch am herausfinden. Für heute hatte ich  ein anderes, viel extravaganteres Outfit geplant, hab mich dann aber schlussendlich umentschieden zu einem angenehmeren Outfit, wo ich mich viel wohler drin fühle. Es ist schwierig, irgendwie möchte ich ausprobieren wie ich die Bühne am besten nutzen kann und “Milyma” zeigen aber ich merke dann auch, dass es etwas sehr persönliches ist aufzutreten und mein eigenes Wohlbefinden an erster Stelle steht.

frachtwerk: Apropos: wunderschönes Musikvideo zu «Don’t you see». Was war das Konzept dahinter und welche Faktoren beeinflussen deine Entscheidungen bezüglich der visuellen Ästhetik?

Milyma: Ich war sehr sehr lange im Austausch mit Jannis und Noël (Directors, farbfilm studio). Dann haben sie den Ort Calais an der französischen Küste vorgeschlagen, wo es viele alte Frachtschiffe und Dünen hat. Die Landschaft war crazy. Wir hatten keine richtige Shotliste oder Drehbuch aber mit ein paar coolen Outfits und Locations kam dann vor Ort, während 5 Tagen, alles zusammen. Am Ende hatten wir eine Fülle an Material und alles entstand auf sehr intuitive Weise.

frachtwerk: Ist das Musikvideo für dich ein wichtiges Medium um eine Geschichte zu erzählen?

Milyma: Ja, das ist es. Ich setze dabei aber nicht die Botschaft von mir oder den Lyrics um, sondern mehr das Gefühl vom Lied. Es ist für mich das Medium um dies zu verbildlichen.

frachtwerk: Welche Bedeutung hat der Live-Auftritt für dich als Künstlerin und wie versuchst du, die Energie deiner Musik auf der Bühne zu transportieren?

Milyma: Ich hatte noch nicht so viele Auftritte, darum bin ich es noch am herausfinden. Ich merke aber, wenn es gut bei den Menschen ankommt ist es um so schöner. Meistens hab ich schon Spass aber bin auch ein bisschen verkopft wegen der Technik, dass auch alles funktioniert und mit der Nervosität kann man manchmal nicht so klar denken. Ich würde aber auch gerne mal auf grösseren Bühnen spielen, wo ich mich dann vielleicht auch mehr bewegen und tanzen könnte. 

frachtwerk: Welche Unterstützung oder Mentoren haben dir geholfen, deinen Weg als Künstlerin zu finden und deine Ziele zu erreichen?

Milyma: Konstant habe ich da Arci von Sirens of Lesbos, welcher mein Mentor und Manager gewesen ist. Er ist seit meiner ersten EP dabei und auch immer bei rechtliche Sachen für mich da. Und dann natürlich auch Freunde und Familie aber musikalisch gesehen ist er es gewesen.

frachtwerk: Dein künstlerischer Ausdruck ist eine zusammenhängende Mischung aus der Musik und deiner medialen und visueller Präsenz, die ein harmonisches Gesamtkunstwerk bilden. Es wirkt alles sehr klar und durchdacht. Würdest du dem zustimmen? Kann es dich auch in gewisser Weise begrenzen?

Milyma: Ich muss schon sagen, dass ich manchmal eine ganz klare Vorstellung von mir als Künstlerin habe und was ich vermitteln möchte. Zum Beispiel als ich mit Jannis und Noël zusammen gearbeitet habe, war ich zuerst skeptisch ob sie mich dann so darstellen würden wie ich bin. Ich musste mir dann aber selbst eingestehen, dass es notwendig ist, meine Vorstellungen und Visionen loszulassen. Letztendlich hat mich das Endergebnis des Musikvideos sehr berührt.

frachtwerk: Wie möchtest du durch deine Musik und deine künstlerische Präsenz Menschen inspirieren oder berühren?

Milyma: Authentizität ist mir sehr wichtig, dass man so sein kann man wie man ist.  Ich versuche einen Raum zu schaffen, in dem sich Menschen wohl fühlen und sich frei ausdrücken können, sei es durch Tanz oder andere Formen der Selbstentfaltung. Auch als female Producerin in dieser männlich dominierten Branche möchte ich ein Vorbild sein und inspirieren. 

 

Bild: Milena Müller

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